Amitav Ghosh
Amitav Ghosh wurde 1956 in Kalkutta geboren und wuchs in Indien, Bangladesch und Sri Lanka auf. Er studierte Geschichte und Sozialanthropologie in Delhi und Oxford. Während seiner Studienzeit arbeitete er als Journalist für den »Indian Express«, eine der wenigen Zeitungen, die Indira Gandhis Notstandsgesetze von 1975 kritisierte. Später lernte er in Tunis Arabisch und betrieb in Ägypten Feldforschung für seine Promotion. Sein erstes, preisgekröntes Buch, »The Circle of Reason« (1986; dt. »Bengalisches Feuer«, 1989), schrieb Ghosh als junger Dozent in Trivandrum und Neu-Delhi. Inzwischen veröffentlichte er vier weitere Romane und verschiedene Sach- und Reisebücher. Er lehrte an verschiedenen Universitäten in Indien und Nordamerika, zuletzt an der Harvard University, und widmet sich derzeit ganz dem Schreiben.
Seit der Veröffentlichung seines Romans »The Glass Palace« (2000; dt. »Der Glaspalast«, 2000) ist Ghosh einer der bekanntesten englischsprachigen Schriftsteller Indiens. Der Roman erzählt vor dem Hintergrund der südostasiatischen Kolonialgeschichte von einer indischen Familie, die nach Burma ausgewandert ist. Er setzt mit der Vertreibung des letzten birmanischen Königs durch die Briten ein und erzählt spannend und voll Eleganz von miteinander verflochtenen Schicksalen: Die Protagonisten erleben den Unabhängigkeitskampf der Kolonie, den Zweiten Weltkrieg, in dem sich die jungen Männer zwischen der Armee ihrer englischen Besatzer und der »Indischen Nationalarmee«, die mit den Japanern kämpfte, entscheiden mussten. Auf dem Fundament des Kolonialismus konnte sich nach Erlangung der Unabhängigkeit die heutige Militärdiktatur einrichten, deren Ende die Protagonisten mit der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi erhoffen. Ghosh lehnte die Nominierung des Romans für den Commonwealth Prize ab. »Ich habe das Gefühl, dem Geist meines Buches zuwiderzuhandeln, wenn ich zulassen würde, dass es in jene spezifische Erinnerung an das Empire eingeordnet wird, die man unter der Bezeichnung ›Commonwealth‹ sammelt.« Ghoshs neues Epos, »Sea of Poppies« (2008; dt. »Das mohnrote Meer«, 2008), geht ein halbes Jahrhundert weiter in der Landesgeschichte zurück: Es spielt im Jahr 1838, als die East India Company der größte einzelne Teilnehmer im britischen Welthandel war, und zeichnet das Schicksal verschiedener Charaktere nach, darunter Mohnbauern aus Bihar, ein verzweifelter Landbesitzer, ein europäisches Waisenmädchen und ein amerikanischer Freigelassener, die von dem ehemaligen Sklavenschiff »Ibis« fliehen.
Ghosh wurde u.a. mit dem Prix Médicis Etranger, dem Sahitya Akademi Award, dem Ananda Puraskar Award, dem Arthur C. Clarke Award und dem Pushcart Prize ausgezeichnet. 2007 wurde ihm der indische Orden Padma Shri und der Premio Grinzane Cavour verliehen. Er ist mit der amerikanischen Biografin Deborah Baker verheiratet und hat zwei Kinder. Derzeit lebt er in Calcutta, Goa und Brooklyn und schreibt am zweiten Band seiner »Ibis«-Trilogie.
© internationales literaturfestival berlin
Bengalisches Feuer
Rowohlt
Reinbek, 1989
[Ü: Dirk van Gunsteren]
Schattenlinien
Rowohlt
Reinbek, 1992
[Ü: Matthias Müller]
In einem alten Land
Rowohlt
Reinbek, 1995
[Ü: Matthias Müller]
Das Calcutta-Chromosom
Blessing
München, 1996
[Ü: Martina Tichy]
Der Glaspalast
Blessing
München, 2000
[Ü: Margarete Längsfeld]
Hunger der Gezeiten
Blessing
München, 2004
[Ü: Barbara Heller]
Zeiten des Glücks im Unglück
Blessing
München, 2006
[Ü: Barbara Heller]
Das mohnrote Meer
Blessing
München, 2008
[Ü: Barbara Heller; Rudolf Hermstein]
Übersetzung: Barbara Heller, Rudolf Hermstein, Dirk van Gunsteren, Matthias Müller, Martina Tichy, Margarete Längsfeld