Aminata Sow Fall
- Senegal
- Zu Gast beim ilb: 2006
Aminata Sow Fall wurde 1941 in Saint-Louis im nördlichen Senegal geboren und entstammt einem alten Adelsgeschlecht. Bis 1970 studierte sie an der Sorbonne Literaturwissenschaft. Anschließend arbeitete sie als Gymnasiallehrerin für Französisch in Dakar, verfasste ihre ersten Romane und stieg bald in führende administrative Positionen auf, die sie oft als erste Frau bekleidete. Sie war Mitglied in der Kommission zur Reform des Französischunterrichts, Leiterin der Literaturabteilung im Kulturministerium und Direktorin des staatlichen Instituts Centre d’Etudes des Civilisations, das die Kulturen und die mündlichen Literaturen des Senegal erforscht. Ihre weibliche Vorreiterrolle bestätigte sie, als sie 1985 die erste Präsidentin des senegalesischen Schriftstellerverbandes wurde. Zwei Jahre später gründete sie das Centre Africain d’Animation et d’Echanges Culturels, eine staatlich unabhängige Organisation, die mit Literaturfestivals, Wettbewerben und Seminaren junge Schriftsteller fördert und im angeschlossenen Verlag »Edition Khoudia« publiziert.
Auch die Romane der grande dame der afrikanischen Literatur sind klar von ihrem gesellschaftlichen Engagement geprägt. Sow Fall porträtiert kritisch die moderne senegalesische Gesellschaft: Habgier und Machtmissbrauch der postkolonialen Eliten, die unreflektierte Anpassung an westliche Lebensweisen und die Vernachlässigung der eigenen Kultur. In parabelhaften, realistischen Geschichten zeigt sie in ihren Werken mit Situationskomik und Ironie, dass die gesellschaftlichen Entfremdungserscheinungen im Senegal auf die Verleugnung der eigenen Wurzeln zurückzuführen sind. Sow Falls bekanntester Roman »La Grève des Bàttu« (1979; dt. »Der Streik der Bettler«, 1991) erzählt von der Verbannung der Bettler aus Dakar und ihrem listigen Protest, einem Streik, mit dem sie die Erfüllung des Almosengebotes zu verhindern drohen. Das Buch wurde in elf Sprachen übersetzt, in Afrika, den Vereinigten Staaten und Europa als Bühnenstück aufgeführt und verfilmt. In Deutschland erschien zuletzt die ebenfalls verfilmte Geschichte eines Generationenkonfliktes in einer Oberschichtfamilie, »Die Rückkehr der Trommeln« (2001; OT: »L’appel des arènes«, 1982). Das Interesse ihres Sohnes an den Traditionen seines Volkes ist den westlich geprägten, auf Wohlstand und Karriere fokussierten Eltern völlig unverständlich. Eine vorsichtige Annäherung an das Kind und an die eigenen Ursprünge gelingt schließlich nur dem Vater. Die Schwierigkeiten einer kulturellen Erneuerung und der Synthese der westlichen und der afrikanischen Denkmodelle betont Sow Fall auch in der Geschichte des gutwilligen Herrschers, der in »L’Ex-Père de la Nation« (1987; dt. »Der Sonnenpräsident«, 1997) zum Tyrannen wird, und in ihrem jüngsten Werk »Festins de détresse« (2005; Ü: Festmahle der Not).
Die Autorin erhielt Preise wie den Grand Prix Littéraire d’Afrique Noire und den Prix International Alioune Diop. Ihr wurde die Ehrendoktorwürde des Mount Holyoke College in South Hadley, Massachusetts, verliehen. Sie ist Mitglied mehrerer Orden, darunter des Ordre de Mérite. Die vierfache Mutter lebt in Dakar.
© internationales literaturfestival berlin
Der Streik der Bettler
Lamuv
Göttingen, 1996
[Ü: Caroline Gutberlet]
Der Sonnenpräsident
Lamuv
Göttingen, 1997
[Ü: Cornelia Panzacchi]
Die wundersame Verwandlung des Bakar Diop
Lamuv
Göttingen, 1998
[Ü: Cornelia Panzacchi]
Douceurs du bercail
Nouvelles Éd. Ivoiriennes
Abidjan,1998
Le Jujubier du patriarche
Le Serpent à Plumes
Paris, 1999
Die Rückkehr der Trommeln
edition KAPPA
München, 2001
[Ü: Cornelia Panzacchi]
Un grain de vie et d’ésperance
Truffaut
Paris, 2002
Festins de détresse
Or des Fous
Nyons, 2005