Amara Lakhous
Amara Lakhous wurde 1970 in Algier als sechstes von neun Kindern geboren. Seine Eltern waren Berber und schickten ihn mit vier Jahren in die Koranschule, wo er klassisches Arabisch lernte. In der Grundschule lernte er Französisch, so dass ihm in seiner Familie eine Vermittlerrolle zwischen den Verwandten in Algier und denen in Frankreich zukam. Früh beeinflusst von Autoren wie Mahfouz, Flaubert und Hemingway, entschloss er sich nach dem Abitur, an der Philosophischen Fakultät in Algier zu studieren, wobei er sich auch mit den Wurzeln seiner algerischen Identität, der Religion, dem Algerienkrieg und dem männlichen Überlegenheitsdenken auseinandersetzte. Danach arbeitete er für das algerische Radio und musste wie viele seiner Kollegen permanente Bedrohungen hinnehmen. »Ich war es leid, auf meinen Mörder zu warten«, erklärte Lakhous seinen Entschluss, Algerien zu verlassen. 1995 siedelte er mit einem Manuskript im Gepäck nach Rom über.
Der Text, den er mit 23 Jahren auf Arabisch verfasst hatte, erschien vier Jahre später unter dem Titel »Le cimici e il pirata« als zweisprachige Ausgabe und erzählt von dem vierzigjährigen Hassinu, einer Art imaginiertem Piraten, dem es nicht gelingt, seine Freiheit auszuleben. Lakhous erwarb an der römischen Universität La Sapienza ein zweites Diplom in Kulturanthropologie und schrieb eine Dissertation über die arabisch-muslimischen Einwanderer in Italien. 2006 erschien in Italien sein zweites Buch, »Scontro di civiltà per un ascensore a Piazza Vittorio» (dt. »Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio«, 2009), eine Neufassung des 2003 in Algerien und anschließend im Libanon erschienenen Romans »Come farti allattare dalla lupa senza che ti morda«. Der Roman erzählt mit Ironie und Schärfe die Geschichte eines Mordes in Rom und setzt sich mit seiner Beschreibung der Eigenheiten der aus aller Welt stammenden Bewohner mit dem Thema Identität in einer multikulturellen Umgebung auseinander: »Ich habe sechs Jahre am Piazza Vittorio gewohnt, er ist eine Art Zukunftslabor, der Prototyp interkulturellen Zusammenlebens.« Lakhous nutzt nicht nur den unverfälschten Blick des Einwanderers, um Dinge in den Mittelpunkt zu rücken, die Einheimische übersehen. Er experimentiert darüber hinaus mit der Sprache, indem er als eingewanderter Schriftsteller das Italienische um die Ausdrucksformen, Bilder und stehenden Begriffe seiner Ursprungssprache bereichert: »Ich arabisiere das Italienische und italianisiere das Arabische.«
Amara Lakhous wurde u. a. 2006 mit dem Premio Flaiano per la narrativa und 2008 mit dem wichtigsten Literaturpreis Algeriens, dem Premio dei librai algerini, ausgezeichnet. Der Autor lebt in Rom.
Le cimici e il pirata
Arlem
Rom, 1999
[Ü: Francesco Leggio]
Krach der Kulturen um einen
Fahrstuhl an der Piazza Vittorio
Wagenbach
Berlin, 2009
[Ü: Michaela Mersetzky]
Divorzio all’islamica a viale Marconi
Edizioni E/O
Rom, 2010