Aharon Shabtai
- Israel
- Zu Gast beim ilb: 2004
Aharon Shabtai wurde 1939 in Tel Aviv, im unter britischem Mandat stehenden Palästina, geboren. Seine Kindheit verbrachte er in einem Kibbuz. Er studierte Philosophie und Griechisch an der Hebrew University in Jerusalem und an der Sorbonne in Paris. 1979 promovierte er mit einer Arbeit über die Tragödien von Aischylos. Bis Mitte der achtziger Jahre lehrte er Griechisches Drama an der Hebrew University. Seit 1990 ist er Dozent für Griechische Literatur und Lyrik an der Tel Aviv University. Er übersetzte Theaterstücke von Aischylos, Sophokles, Euripides und Aristophanes ins Hebräische. Für seine Übersetzungen erhielt er u. a. den Prime Minister’s Prize for Translation 1993 und den Tchernichowsky Prize 1999. Seit 1966 veröffentlichte er bislang siebzehn Gedichtbände, die ebenfalls mit wichtigen Auszeichnungen geehrt wurden.
In seinem langen Gedicht „Kibbutz“ (1973) beschreibt er das Leben im zionistisch-sozialistischen Israel der fünfziger Jahre. „Hapoema HaBeitit“ (1976; Ü: Das häusliche Poem) ist eine Aneinanderreihung von 363 Miniaturen, eine mythische Gestaltung des Gegenständlichen. Andere Gedichte sind schonungslos persönlich. In direkter, sperriger Sprache thematisiert er eigene Erfahrungen mit Depressionen, erotische Abenteuer und das Scheitern seiner Ehe. Eine Auswahl von Gedichten aus dreißig Jahren erschien 1997 auf englisch unter dem Titel „Love and Selected Poems“. In letzter Zeit erregte der Dichter die Gemüter mit „J’accuse“, einer Sammlung politischer Gedichte, die zuvor in der Wochenendausgabe der Tageszeitung „Ha’aretz“ erschienen waren. Seit 2003 liegt der Band auch in englischer Übersetzung vor. Der Titel spielt auf Emile Zolas berühmten Brief an, mit dem er den Antisemitismus der französischen Regierung während der Dreyfus-Affäre anklagte. Aharon Shabtai fasst in kritischen Gedichten seine Ablehnung der Politik Israels im israelisch-palästinensichen Konflikt in zornige, klare Worte. Stilistisch und moralisch bezieht sich Shabtai auf die hebräische Schrifttradition. Die Texte entstanden in einem Zeitraum, der von Netanjahus Wahlsieg 1996 bis zur Zeit der zweiten Intifada reicht. Sie entfesselten einen Sturm der Entrüstung unter den Lesern, die ihm Ignoranz gegenüber der realen Bedrohung Israels durch den Terror vorwarfen und ihm eine anti-israelische Haltung unterstellten. Dass er in seiner Kritik vielmehr sein Ideal von Israel verteidigt, wird im Titelgedicht seines Gedichtbandes „Artzenu“ (2002; Ü: Unser Land) deutlich, mit dem er sich an seine Kindheit vor der Staatsgründung Israels erinnert. Aus Protest gegen die Politik Israels verweigerte er 2006 die Teilnahme am Eizenberg Shalom International Poetry Festival in Jerusalem. Aharon Shabtai lebt in Tel Aviv.
© internationales literaturfestival berlin
La première lecture
Editions de l’Eclat
Paris, 1990
Übersetzung: Michel Eckhard-Elial
ha-Poema ha-betit
Am Oved
Tel Aviv, 1990
Love & Selected Poems
The Sheep Meadow Press
New York, 1997
Übersetzung: Peter Cole
Artsenu. Shirim 1987–2002
Hotsa’at ha-Kibuts ha-me’uhad
Tel Aviv, 2002
J’accuse
New Directions
New York, 2003
Übersetzung: Peter Cole
Shemesh shemesh
Hargol
Tel-Aviv, 2006
Übersetzer: Michael Biggins, Peter Cole, Fabjan Hafner, Peter Urban