Aharon Appelfeld
- Israel
- Zu Gast beim ilb: 2007, 2010
Aharon Appelfeld wurde 1932 bei Czernowitz in der Bukowina geboren. Er erlebte als Siebenjähriger den Kriegsausbruch, wenig später wurde seine Mutter ermordet. Mit seinem Vater wurde er auf einen Todesmarsch in das ukrainische Arbeitslager Transnistria gezwungen. Nach gelungener Flucht lebte er allein in den Wäldern und schloss sich 1944 den sowjetischen Truppen als Küchenjunge an. Über Rumänien, Jugoslawien und Italien gelangte er 1946 nach Palästina. Dort studierte er an der Hebräischen Universität Jerusalem Philosophie und begann zu schreiben.
1962 veröffentlichte er seinen ersten Kurzgeschichtenband, dem bis heute etwa 35 weitere Prosawerke, vor allem Romane, folgten. Appelfeld lehrte bis zu seiner Emeritierung 2001 Hebräische Literatur an der Ben-Gurion-Universität in Beerscheba. In seinem autobiografischen Roman »Sippur chajim« (1999; dt. »Geschichte eines Lebens«, 2005) beschreibt der Autor den Verlust der Sprache angesichts von Verfolgung und Krieg. Mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen und mit dem Jiddischen, Ukrainischen und Rumänischen vertraut, wurde im Krieg das schweigende Beobachten zum Modus seines Überlebens: »Das Reden fällt mir schwer, kein Wunder: Während des Krieges wurde nicht geredet. Es war, als raune jedes Unglück: Was gibt es da noch zu sagen? Nichts.« Gegen diese Sprachleere und auch gegen die Ideologie des radikalen Neuanfangs im jungen Staat Israel begann Appelfeld zu erzählen: Langsam und vorsichtig schuf in der für ihn neuen Sprache Hebräisch ein Werk voller erratischer Bilder und erstaunlicher Beobachtungen. Still, lakonisch und oft mit düsterem Surrealismus umkreisen seine Bücher das Unsägliche, schildern vor allem die Vor- und Nachgeschichte des Holocaust. So in der Erzählung »Badenheim Ir Nofesh« (1979; dt. »Badenheim«, 1982), die ihn international bekannt machte. Sie schildert das unheimliche Idyll eines österreichischen Kurorts im Jahr 1939, in dem die traute Lebenswelt der jüdischen Gäste kaum merklich dem Untergang entgegentaumelt. Auf Deutsch erschien zuletzt Appelfelds Roman »Katerina« (2010), in dem eine Ukrainerin gegen Ende des 19. Jahrhunderts Anstellung bei einer jüdischen Familie findet. Die junge Frau, von den antisemitischen Ressentiments ihrer Zeit keineswegs frei, wird zwar langsam eines Besseren belehrt, kommt deshalb aber bald selbst in Schwierigkeiten.
Appelfelds Werk wird mit dem von Kertész und Levi verglichen und liegt in über dreißig Sprachen vor. Der Autor wurde unter anderem mit dem National Jewish Book Award, dem Israel Prize, dem Prix Médicis Etranger und dem Nelly-Sachs-Preis ausgezeichnet. Aharon Appelfeld lebt in Jerusalem.
Der Autor verstarb am 4. Januar 2018.
© internationales literaturfestival berlin
Geschichte eines Lebens
Rowohlt.Berlin
Berlin, 2005
[Ü: Anne Birkenhauer]
Bis der Tag anbricht
Rowohlt.Berlin
Berlin, 2006
[Ü: Anne Birkenhauer]
Elternland
Rowohlt.Berlin
Berlin, 2007
[Ü: Anne Birkenhauer]
Blumen der Finsternis
Rowohlt.Berlin
Berlin, 2008
[Ü: Mirjam Pressler]
Katerina
Rowohlt.Berlin
Berlin, 2010
[Ü: Mirjam Pressler]