Abdourahman A. Waberi
Abdourahman A. Waberi wurde 1965 in Dschibuti, der Hauptstadt des gleichnamigen Staates in Nordostafrika, geboren. 1985 ging er nach Frankreich, um sein Englischstudium fortzuführen und promovierte über den somalischen Schriftsteller Nuruddhin Farah. Er lebt heute als Englischlehrer in Caen (Normandie), ist außerdem als Journalist tätig – vor allem als Rezensent für »Le Monde diplomatique« – und berät den französischen Verlag »Le Serpent à Plumes« bei der Auswahl afrikanischer Literatur.
1977, als der Staat Dschibuti seine Unabhängigkeit erklärte, war Waberi zwölf Jahre alt. Er empfand sich daher als »Zeitgenosse« seines Landes, dem er auch in seinen literarischen Werken verpflichtet blieb. Die ersten drei Bücher, mit denen der Autor an die Öffentlichkeit trat, können als eine Trilogie über Dschibuti gelesen werden, die unterschiedliche Genres umfasst. Nach zwei Bänden mit Erzählungen, »Le pays sans ombre« (1994; Ü: Das Land ohne Schatten) und »Cahier nomade« (1996; Ü: Nomadisches Notizbuch), folgte 1997 der Roman »Balbala«. Für den »Cahier nomade«, der auch ins Deutsche übersetzt wurde, erhielt der Autor 1996 den Grand prix de l’Afrique noire.
Nach Waberis Teilnahme am Festival Fest’Africa in Lille lud ihn dessen Organisator Nocky Djedanoum 1998 ein, im Rahmen des Projekts »Rwanda: écrire par devoir de mémoir« (Ü: Ruanda: Schreiben, um Erinnerung zu leisten) in Kigali zu residieren. Zusammen mit neun weiteren Schriftstellern, einem Filmregisseur und einem Bildhauer versuchte er eine künstlerische Aufarbeitung des Völkermords von 1994. Hier entstand der Prosaband »Moisson de Crânes« (2000; auf Deutsch etwa »Schädelernte«), der 2000 in Paris erschien. In seinem jüngsten Roman »Transit« (2003) erzählt Waberi metaphernreich und humorvoll von der ersten Zeit eines afrikanischen Emigranten in Paris. Das Werk, das der Autor eine »universale Reflexion über das Thema Krieg und Exil« nannte, wurde 2004 mit dem Prix littéraire de la ville de Caen ausgezeichnet.
»Waberi (über-)zeichnet die Zustände in seinem Land und in anderen Gegenden Afrikas aus der Distanz – er lebt in Frankreich – mit einer nahezu unheimlichen Kunstfertigkeit«, heißt es in einer deutschen Rezension zu seinen Kurzgeschichten. Als Liebhaber von Reiseliteratur, wie sie etwa Bruce Chatwin geprägt hat, macht sich der Dichter aber nach eigener Auskunft die Gefahr dieses Genres sehr wohl bewusst: »Durch die Distanz kann man schnell herablassend werden«. Anders als in seinen frühen Werken, habe er heute nicht mehr den Ehrgeiz, im Namen Afrikas oder seines Landes zu sprechen. In seinem letzten Roman »Aux Etats-Unis d’Afrique« (2006; Ü: In den Vereinigten Staaten von Afrika) nimmt Waberi eine gänzlich fantastische Perspektive ein und entwirft eine satirische Parabel über Not und Unmenschlichkeit. Die Protagonistin ist als Kind von einem Afrikaner auf humanitärer Mission adoptiert und aus dem armen »Euramerika« in die gelobten Länder der »Vereinigten Staaten von Afrika« gebracht worden. Als Erwachsene besinnt sie sich ihrer Herkunft. Sie verlässt den reichen Kontinent und begibt sich zurück in das Elend Europas.
Waberi war in den Jahren 2003 und 2004 Jurymitglied des »Lettre Ulysses Award for the Art of Reportage«. Er lebt derzeit als Gast des DAAD in Berlin.
© internationales literaturfestival berlin
L’Œil nomade
L’Harmattan
Paris, 1997
Die Legende von der Nomadensonne
Marino
München, 1998
[Ü: Brigitte Kautz]
Le Pays sans ombre
Le Serpent à Plumes
Paris, 2000
Les Nomades, mes frères, vont boire à la Grande Ourse
Pierron
Sarreguemines, 2000
Rift route rails
Gallimard
Paris, 2000
Balbala
Gallimard
Paris, 2002
Transit
Gallimard
Paris, 2003
Moisson de Crânes
Le Serpent à Plumes
Paris, 2004
Aux Etats-Unis d’Afrique
Lattès
Paris, 2006