Abasse Ndione
- Senegal
- Zu Gast beim ilb: 2014
Abasse Ndione wurde 1946 in dem senegalesischen Fischerdorf Bargny nahe Dakar geboren. Nachdem er zunächst die örtliche Koranschule besucht hatte, wurde er von seinem Vater auf eine französische Schule geschickt. 1966 schloss Ndione eine Krankenpfleger-Ausbildung ab und übte diesen Beruf bis zur Rente aus.
Wie das englischsprachige Magazin »New African« kommentierte, war Ndione auf diesen Vollzeitjob angewiesen, da seine Verleger ihm selten mehr als einen Hungerlohn für seine Arbeit als Schriftsteller zahlten. Entsprechend dauerte es acht Jahre, bis der Autor seinen ersten Roman »La Vie en Spirale« (1984; Ü: Leben in einer Spirale) im Senegal veröffentlichen konnte. Anhand der Beziehungsgeflechte, die der Konsum und der Handel von Marihuana zwischen arbeitslosen Jugendlichen, Weißen und Polizisten spinnen, werden die sozialen Strukturen der Gesellschaft in dem afrikanischen Land geschildert. Der Roman erregte nach einer zweiten Ausgabe 1988 auch die Aufmerksamkeit des Pariser Verlags Gallimard, der das Buch 1998 in Frankreich publizierte. Zwei Jahre später erschien Ndiones zweiter Roman »Ramata«, von einer Kritikerin als »senegalesische Madame Bovary« (»El Mundo«) beschrieben: Eine verheiratete fünfzigjährige Frau, die Schönheit wie auch Reichtum besitzt, stürzt sich in eine Affäre mit einem halb so alten Kleinkriminellen, die ihr Leben aus den Fugen geraten lässt. Ndione, der seine Werke immer erst in Wolof, der Sprache seines Volkes, entwirft, bevor er sie ins Französische überträgt, nutzt hier all die Zutaten eines Thrillers wie Rache, Mord und Korruption, um erneut die Realität in seinem Land literarisch zu verarbeiten und so bewusst zu machen. Die allzu große Nähe zur Wirklichkeit führte dabei dazu, dass sich sein Verleger zunächst weigerte, »Ramata« im Senegal zu veröffentlichen, da das Buch zu viel Sex and Crime enthalte. 2007 wurde der Roman verfilmt, wie auch 2012 Ndiones dritter Roman »Mbëkë mi« (2008; dt. »Die Piroge«, 2014). Mit einem solchen Schiff wollen dreißig Senegalesen ihre Heimat verlassen, um auf den Kanarischen Inseln oder in Europa ihr Glück zu finden. Ndione erzählt schlicht, aber eindringlich von dem Entstehen einer Schicksalsgemeinschaft von Menschen, deren gemeinsame Hoffnung auf ein besseres Leben sie dasselbe kosten könnte, als ein Sturm auf hoher See aufzieht. Die Verfilmung dieses Stoffs erhielt auch in Deutschland zahlreiche Preise, u. a. als bester internationaler Film 2013 beim Filmfest München.
Wie der Schriftsteller Nuria Barrios bemerkt, hört man im Senegal inzwischen oft, dass jemand, der nur ein Buch in seinem Leben lesen möchte, Ndione wählen sollte. Dieser lehnt dagegen Titel wie »Vater des afrikanischen Kriminalromans« ab und hofft lediglich, mit seinem Erfolg auch anderen, jungen Autoren aus dem Senegal Mut gemacht zu haben. Abasse Ndione lebt heute in Rufisque in der Nähe von Dakar.
La Vie en Spirale
Les Nouvelles Éditions Africaines
Dakar, 1984
Ramata
Gallimard
Paris, 2000
Die Piroge
Transit
Berlin, 2014
[Ü: Margaret Millischer]