Tahir Hamut Izgil
- Zu Gast beim ilb: 2024
Tahir Hamut Izgil wurde 1969 in der westchinesischen Region Xinjiang als Sohn einer Bauersfamilie geboren. Er ist Schriftsteller, Filmregisseur und gilt als einer der profiliertesten modernen Dichter uigurischer Sprache.
Izgil studierte in Peking, wo er Mandarin lernte und sich intensiv mit chinesischer Avantgarde-Lyrik sowie westlicher Literatur beschäftigte. Nach Beendigung seines Studiums kehrte er nach Xinjiang zurück, arbeitete als Mandarin-Lehrer und machte sich mit seinen Gedichten, in denen er eine radikale Abkehr von traditionellen Formen und Inhalten vollzog, einen Namen. Bei dem Versuch, China für ein Studium in der Türkei zu verlassen, wurde er 1996 unter Angabe fadenscheiniger Gründe verhaftet und drei Jahre lang interniert. Nach seiner Entlassung gründete er eine Produktionsfirma und arbeitete außerhalb des staatlichen Systems als Regisseur, widmete sich aber weiterhin dem Schreiben von Gedichten, die in viele Sprachen übersetzt wurden. 2017, als die chinesische Regierung mit der massenhaften Internierung der Uiguren begann, gelang ihm mit seiner Familie die Flucht ins amerikanische Exil.
In »Waiting to Be Arrested at Night« (2023; dt. »In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung«, 2024) schildert der Autor, nüchtern und unter Verzicht auf politische oder anklagende Rhetorik, wie sich die Verhältnisse in Xinjiang ab 2016 verschärften. Schulen, Ämter, sogar Krankenhäuser wurden innerhalb weniger Tage in ausbruchssichere »Studienzentren« umgewandelt. Ein hochtechnisierter, im Kern aber von Menschen getragener Überwachungsstaat wurde installiert. Was bedeutet es, in ständiger Angst davor zu leben, nachts verhaftet und gefoltert zu werden? Wie tauscht man sich mit Gleichgesinnten aus, wenn überall jemand mithören könnte? Und wie gelingt einem die Flucht aus den Fängen eines totalitären Regimes? »Izgils Memoir ist die Geschichte vom Überleben in einer Gesellschaft, in der Unterdrückung zur Routine geworden und die Macht des Staats zügellos ist. Die Zurückhaltung, die er als Autor übt, ist zugleich die Stärke des Buchs.« (Guardian)
Tahir Hamut Izgil lebt in Washington.
In Erwartung meiner nächtlichen Verhaftung. Uigurische Notizen
Hanser
München, 2024
[Ü: Ulrike Kretschmer]