Der spanische Schriftsteller Javier Marias ist am Sonntag wenige Tage vor seinem 71. Geburtstag verstorben. Eine Würdigung von Michi Strausfeld.
Javier Marias war 2015 Gast des ilb – es war einer seiner seltenen öffentlichen Auftritte in Deutschland, und es war der letzte. Er sprach ungern vor großem Publikum, war kein Freund von Interviews. Für ihn stand immer sein Werk im Vordergrund – und das sind inzwischen 18 Romane, Erzählbände, Essays [über Fußball, Literatur usw.] und mehrere Bände mit seinen Gesammelten Chroniken, also den wöchentlichen Artikeln, die er als scharfer Beobachter alltäglicher Veränderungen bei den Menschen und im Land sowie des politischen Geschehens für El País schrieb.
Der Ton seiner Romane, genannt Marías-Sound, hat weltweit Millionen Leser in mehr als 40 Sprachen in Bann geschlagen. Was war das Geheimnis seiner Prosa? Legendär sind seine ersten Sätze, meist mehrere Zeilen lang, und dann beginnt der Autor das Schreiben ohne einen festen Plan zu haben. Er arbeite mit einem inneren Kompass, sagte er, und der führe ihn zum Ziel. Marias behauptete auch, wenn er den Ausgang der Handlung vorher wüsste, würde ihn das langweilen. Sein Kollege und Freund Eduardo Mendoza hielt soeben fest: »Er schrieb das beste Spanisch im Land, und niemand hat die Frauen so gut verstanden wie er«. Aber alle seine Erzähler sind männlich, mit der Ausnahme von »Die sterblich Verliebten«. Filigran erkundet er die Gefühlsregungen, die Gedanken, die Träume und die Vergangenheiten… so als sei er der Proust unserer Zeit. Sein Lehrmeister war jedoch Shakespeare – sieben Romane tragen ein Zitat von ihm im Titel. In drei Wochen erscheint sein letzter Roman, »Tomas Nevinson«, der mit dem vorherigen »Berta Isla« ein Diptychon bildet. Sein Tod, mit gerade 70 Jahren, hat die literarische Welt erschüttert. Wir trauern.