Volha Hapeyeva
Die Lyrikerin, Schriftstellerin und Dramatikerin Volha Hapeyeva wurde 1982 in Minsk geboren. Sie studierte an der Staatlichen Linguistischen Universität Minsk, wo sie 2012 promovierte und bis 2019 als Professorin tätig war. Zudem studierte sie Gender Studies an der European Humanities University, Vilnius, wo sie später auch unterrichtete.
Von 1999 an erschienen ihre literarischen Texte in Zeitschriften und Anthologien. Bis heute hat sie 14 Bücher auf Belarussisch veröffentlicht. In ihren Gedichten lotet sie die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache in Hinsicht auf eine Bewusstseinserweiterung aus und zeigt die Unendlichkeit der Deutungsmöglichkeiten von Lyrik auf. Ein wichtiges Motiv ist der menschliche Körper – als Vermittler zwischen Menschen, als Objekt von Traumata und zugefügtem Schmerz in einer patriarchalen Welt. Politik und geschichtliche Ereignisse werden aus dezidiert weiblicher Perspektive erfasst und gewertet. Die Position der Frau in der Gesellschaft und in Geschlechterbeziehungen zielt auf Freiheit und Unabhängigkeit. Unter dem Titel »Mutantengarten« erschienen 2020 Gedichte auf Deutsch, 2021 folgte die englischsprachige Ausgabe »In My Garden of Mutants«. Hapeyevas Kinderbücher gehen hinter scheinbar alltäglichen Ereignissen und Verhaltensweisen der Protagonist:innen philosophischen Gedankengängen nach und stellen Fragen nach dem menschlichen Sein. Ihrer Auffassung nach sollte Kinder- und Jugendliteratur neue Verhaltensnormen und veränderte Werte hinsichtlich der Geschlechterrollen und Gendervielfalt vermitteln.
Ihr erster, autobiografisch gefärbter Roman »Kemel-Тrewel« [2019; dt. »Camel Travel«, 2021] handelt von einer Kindheit und Jugend in der Endphase der Sowjetunion. Schauplatz ist die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik, wo sowohl Russisch als auch Belarussisch gesprochen wird und der Alltag nur mit reicher Erfindungsgabe und Improvisationstalent gemeistert werden kann. Der Roman hat auch eine gesellschaftspolitische Dimension, weil er die Entwicklung der Protagonistin zu einer kritischen, feministischen Persönlichkeit im heutigen Belarus zeigt. Hapeyeva schrieb außerdem Theaterstücke wie »Kalekzyjaner« [Ü: Der Sammler], das u. a. im Rahmen des XI. Internationalen Theaterfestivals »Konfrontacje Teatralne« [Lublin, Polen] 2006 präsentiert wurde.
Neben ihrer linguistischen Forschung und schriftstellerischen Tätigkeit arbeitet Hapeyeva sowohl mit Musiker:innen wie DJ Buben oder Aortha zur Präsentation audiovisueller Performances als auch im Rahmen von Kunstinstallationen mit Künstler:innen wie Milijana Istijanovic zusammen. Zudem übersetzt sie literarische Werke aus dem Englischen, Deutschen, Chinesischen und Japanischen. Als Herausgeberin, Übersetzerin und Autorin beteiligte sie sich an verschiedenen Anthologien wie »Linija Frontu« [2003; Ü: Frontlinie], einer Sammlung belarussischer und deutscher Texte, oder »Antalogija latwijskaj paezii« [2013; Ü: Anthologie lettischer Lyrik].
Volha Hapeyevas eigene Texte wurden wiederum in 15 Sprachen übersetzt und u. a. mit dem Rotahorn-Literaturpreis 2021 ausgezeichnet. Für ihren bisher unveröffentlichten und auf Deutsch verfassten Essay »Die Verteidigung der Poesie in Zeiten dauernden Exils« wurde ihr der WORTMELDUNGEN-Literaturpreis 2022 zugesprochen. 2019/2020 war Volha Hapeyeva Stadtschreiberin von Graz, ab Mai 2021 Stipendiatin des Writers-in-Exile-Programms des PEN, 2022 und 2023 ist sie Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.
Stand: 2022
Hramatyka sniehu
Halijafy
Minsk, 2017
Mutantengarten
Gedichte
Edition Thanhäuser
Ottensheim, 2020
[Ü: Matthias Göritz, Martina Jakobson, Uljana Wolf]
In My Garden of Mutants
Arc Publications
Todmorden, 2021
[Ü: Annie Rutherford]
Camel Travel
Droschl
Graz, 2021
[Ü: Thomas Weiler]
Samota što žyla ǔ pakoi nasuprac
Halijafy
Minsk, 2021
Paradox Niemaŭlia
Der Widerspruch des Noch-nicht-Sprachlichen
Poetisches Traktat
Halijafy
Minsk, 2022
Die Verteidigung der Poesie in Zeiten dauernden Exils
Verbrecher Verlag
Berlin, 2022
Trapezherz
Graz, Droschl, 2023
[Ü: Matthias Göritz]