Wei Hui
- China
- Zu Gast beim ilb: 2006
Wei Hui wurde 1973 in Ningbo nahe Shanghai geboren. Nach den Unruhen von 1989 gehörte sie zum ersten Jahrgang von Studenten, die eine einjährige Ausbildung an einer Militärschule absolvieren mussten. Während dieser Zeit begann sie zu schreiben. Ihr Studium der Chinesischen Sprache und Literatur an der Fudan-Universität in Shanghai schloss Wei Hui im Jahre 1995 ab. Danach arbeitete sie in verschiedenen Berufen, unter anderem als Journalistin und Fernsehredakteurin.
Wei Hui gehört zu der Riege junger und wilder chinesischer Schriftsteller, die polemisch mit der Tradition des Kollektivismus und den staatlich propagierten Moralvorstellungen brechen, indem sie detailliert und schonungslos individuelles Leben zwischen Daseinsfreude und Existenzangst beschreiben und insbesondere Sexualität offen schildern. Das dominierende Lebensgefühl der Protagonistin ihres autobiografisch gefärbten Debütromans »Shanghai baobei« (1999; dt. »Shanghai Baby«, 2001) ist rauschhaft und hedonistisch. »Kaum schlage ich morgens die Augen auf, denke ich, dass ich etwas Aufsehenerregendes, Gigantisches tun möchte, und die Vorstellung, eines Tages wie ein farbenprächtiges Feuerwerk mit lautem Getöse in den Himmel über der Stadt aufzusteigen, ist so etwas wie ein Ideal von mir geworden, ein Grund, weiterzuleben.« Die Hauptfigur, eine Schriftstellerin, steht zwischen zwei Männern. Da ihr einfühlsamer chinesischer Freund in der körperlichen Liebe versagt, geht sie eine leidenschaftliche Beziehung zu einem deutschen Geschäftsmann ein. »Shanghai Baby« kokettiert mit kulturellen Stereotypen, spielt mit dem Thema Identität und zeichnet den Lebenswandel einer neuen Generation im aufstrebenden China nach, das sich im Zuge des wachsenden Wohlstands an westliche Standards anpasst und sich von Tabus und strengen Wertvorstellungen befreit. Der Roman wurde von offizieller Seite als ungeheure Provokation empfunden, die Autorin als »liederliche Sklavin ausländischer Kultur« geschmäht. Zusammen mit ihren bereits veröffentlichten vier Kurzgeschichtensammlungen wurde das Werk verboten, der Verlag für acht Monate geschlossen und 40 000 Exemplare des Buches verbrannt. Dennoch verbreitete es sich in China millionenfach unter der Hand, und auch international entwickelte es sich zum Bestseller, der inzwischen in 34 Sprachen vorliegt. Die Verfilmung von »Shanghai Baby« wurde auf den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes vorgestellt und soll 2007 in den Kinos anlaufen.
Wei Huis neuester Roman »My Zen« (2005; dt. »Marrying Buddha«, 2005) ist eine Fortschreibung ihres Debütromans. Er spielt in Shanghai und New York, wo die Protagonistin erneut zwischen zwei Männern, einem Amerikaner und einem Japaner, schwankt. Inzwischen scheint die Popliteratur auch offiziell in China angekommen: Nachdem die Autorin einige Stellen geändert hatte, wurde das Publikationsverbot gegen sie nach viereinhalb Jahren aufgehoben, und der Roman durfte in China erscheinen. Er fand sich sofort in den Spitzen der Bestsellerlisten und wurde in 14 Sprachen übersetzt. Wei Hui lebt in Shanghai und New York.
© internationales literaturfestival berlin
Marrying Buddha
Ullstein
Berlin, 2005
[Ü: Susanne Hornfeck]
Shanghai Baby
Ullstein
Berlin, 2006
[Ü: Karin Hasselblatt]