Vikram Chandra
Vikram Chandra wurde 1961 in Neu-Delhi geboren. Er stammt aus einer Familie, in der das Schreiben und besonders der indische Film von großem Einfluss sind: Seine Mutter verfasste Drehbücher und Bühnenstücke, seine Schwestern arbeiten inzwischen als Regisseurin und Filmkritikerin. Nach seiner Schulzeit, während der sich Chandra am Science-Fiction-Genre versuchte, belegte er einige Filmkurse am St. Xavier’s College in Mumbai, studierte am kalifornischen Pomona College Englisch mit dem Schwerpunkt Kreatives Schreiben und immatrikulierte sich schließlich an der Filmschule der New Yorker Columbia University. In deren Bibliothek entdeckte er die Autobiografie des anglo-indischen Obristen James »Sikander« Skinner aus dem 19. Jahrhundert. Sie wurde zur Vorlage von Chandras erstem Roman, für den er seine Ausbildung mit Schreibkursen an der John Hopkins University und der University of Houston fortsetzte, wo er bei den legendären postmodernen Autoren John Barth und Donald Barthelme studierte. Nach sechs Jahren Entstehungszeit, während derer Chandra selbst Schreibunterricht gab und nebenbei als Computerprogrammierer arbeitete, erschien »Red Earth and Pouring Rain« (1995 dt. »Tanz der Götter«, 1997). In einer Fülle von miteinander verknüpften Erzählebenen verbindet dieser epische Roman das Indien des 19. Jahrhunderts mit dem modernen Amerika. Die Rahmenhandlung gleicht dem Strukturprinzip der »Märchen aus 1001 Nacht«: Ein Affe mit einer Schreibmaschine – Reinkarnation des indischen Dichters Sanjay Parasher – hält den Todesboten Yama mit Geschichten davon ab, seinen tödlichen Auftrag auszuführen. Ein junger Inder unterstützt ihn dabei mit Erzählungen von seinem Studium in Amerika. So verschränkt sich in dem Kaleidoskop tapferer Männer und schöner Frauen, großer Gefühle und erbitterter Schlachten die östliche Vergangenheit mit der westlichen Gegenwart.
Die Erzählsituation in den Kurzgeschichten des folgenden Bandes »Love and Longing in Bombay« (1997; dt. »Die fünf Seiten des Lebens. Bombay-Geschichten«, 1999) ist ähnlich strukturiert. Ein pensionierter Zivilbeamter gibt in einer Hafenbar fünf Geschichten zum besten. Sie stehen unter dem Zeichen von je einem Zentralbegriff der hinduistischen Philosophie. Das Stück »Dharma« ist eine Gespenstergeschichte und wurde in die Anthologie »Year’s Best Fantasy and Horror« (1998) aufgenommen. Auf die Hauptfigur aus einer anderen Kurzgeschichte, einen Kriminalbeamten vom Stamm der Sikhs, greift der Autor in seinem neuesten Roman zurück. »Sacred Games« (2006) ist ein monumentales Werk, das vor dem Hintergrund von Bombays Unterwelt spielt und in Deutschland in zwei Teilen, »Der Gott von Bombay« und »Bombay Paradise«, erscheinen wird.
Chandra, der auch Drehbücher wie das Skript für den Bollywood-Film »Mission Kashmir« (2000) verfasste, wurde bereits 1997 vom »New Yorker« zu Indiens führenden Schriftstellern gezählt. Er wurde u.a. mit dem Commonwealth Writers Prize for Best First Book und dem David Higham Prize for Fiction ausgezeichnet. Er lehrt an der University of California Kreatives Schreiben und lebt in Berkeley und Mumbai.
© internationales literaturfestival berlin
Die fünf Seiten des Lebens
Aufbau
Berlin, 1999
[Ü: Ulrike Seeberger]
Tanz der Götter
Aufbau
Berlin, 2006
[Ü: Ulrike Seeberger]
Der Gott von Bombay
Aufbau
Berlin, 2006
[Ü: Barbara Heller, Kathrin Razum]
Bombay Paradise
Aufbau
Berlin, 2006
[Ü: Barbara Heller, Kathrin Razum]