Tomas Lieske
- Niederlande
- Zu Gast beim ilb: 2005
Tomas Lieske wurde 1943 in Den Haag geboren. Er arbeitete zunächst als Lehrer, bevor er – nach ersten Veröffentlichungen im Alter von 38 Jahren in den Literaturzeitschriften »Tirade« und »De Revisor« – Redakteur von »Tirade« wurde. Eine Auswahl seiner darin veröffentlichten poetologischen Essays erschien 1989 unter dem Titel »Een hoofd in de toendra« (Ü: Ein Kopf in der Tundra). Schon zwei Jahre zuvor war er mit seinem Lyrikdebüt »De ijsgeneraals« (1987; Ü: Die Eisgeneräle) in Erscheinung getreten, dem der Gedichtband »Een tijger onderweg« (1989; Ü: Ein Tiger unterwegs) folgte. Einprägsame Bilder, die in überraschenden Bezügen stehen und um die Motive Gewalt, Tod und Sexualität kreisen, werden zu Allegorien oder Parabeln für etwas, was Lieske die »schwarze Seite« oder die »Nachtseite« nennt. Dafür hatte er früh ein besonderes Sensorium entwickelt, als seine Eltern 1949/50 ein gleichaltriges Mädchen als Pflegekind bei sich aufnahmen, eine Halbwaise aus dem kriegszerstörten Bremen, die unter schrecklichen Alpträumen litt. Mit ihrer für Lieske fremden Sprache hinterließ sie beim Autor, der nur mit Brüdern aufgewachsen war, einen bleibenden Eindruck als Erscheinung aus einer unbekannten Welt. Diese Episode bearbeitete Lieske in der titelgebenden Kurzgeschichte aus »De achterste kamer« (1997; Ü: Das hinterste Zimmer). In seinem Prosawerk, das in den neunziger Jahren entstand, führte Lieske die sprachgewaltige Evozierung jenes dunklen Zwischenreiches in seiner Lyrik erfolgreich fort. Seine Kurzgeschichtensammlung »Oorlogstuinen« (1992; Ü: Kriegsgärten) wurde mit dem Geertjan Lubberhuizen Prijs ausgezeichnet. Die drei nachfolgenden Romane wurden für den bedeutenden niederländischen Libris Literatuur Prijs nominiert, den er schließlich für »Franklin« (2001) erhielt. Seit 2004 liegt dieses Werk auch auf Deutsch vor. Der groteske Schelmenroman erzählt von der fatalen Schicksalsgemeinschaft dreier moralisch verwahrloster Männer, die auf ihre unbarmherzigen Lebensverhältnisse mit dumpfer Gewalt reagieren. Einzig der Titelheld versucht, sich aus den hoffnungslosen Umständen zu befreien. Doch seine Anstrengungen erweisen sich im Verlauf der Handlung – sie beginnt im Russland der vierziger Jahre und endet nach überraschenden und abwegigen Wendungen im Holland der Gegenwart – als ebenso rührend wie vergeblich. Lieskes Opus Magnum, »Gran Café Boulevard« (2003), hielt sich wochenlang in den niederländischen Bestsellerlisten und erschien im Herbst 2005 auf Deutsch. Der Abenteuerroman begleitet einen notorischen Glückspilz, der als Fälscher im Zweiten Weltkrieg sowohl für die Alliierten, als auch für die Nazis arbeitet, auf seiner Reise von Bilbao über Paris in die Niederlande. Selbst als er die Liebe seines Lebens trifft, bleiben die düsteren, undurchschauten Geheimnisse seiner Familiengeschichte unausgesprochen, bis sie sich schließlich nicht mehr verleugnen lassen. Lieskes zuletzt veröffentlichter Gedichtband, »Hoe je geliefde te herkennen« (2006), wurde 2007 mit dem renommierten niederländischen VSB Poëzieprijs ausgezeichnet. Der Autor lebt in Leiden.
© internationales literaturfestival berlin
De ijsgeneraals
Querido
Amsterdam, 1987
Een hoofd in de toendra
Van Oorschot
Amsterdam, 1989
Een tijger onderweg
Querido
Amsterdam, 1992
Oorlogstuinen
Querido
Amsterdam, 1992
Grondheer
Querido
Amsterdam, 1993
Nachtkwartier
Querido
Amsterdam, 1995
Gods eigen kleinzoon
Querido
Amsterdam, 1996
De achterste kamer
Querido
Amsterdam, 1997
Stripping & andere sterke verhalen
Querido
Amsterdam, 2002
Franklin
Rowohlt
Reinbek, 2004
Übersetzung: Christiane Kuby
Gran Café Boulevard
Gustav Kiepenheuer
Berlin, 2005
Übersetzung: Christiane Kuby
Mijn soevereine liefde
Querido
Amsterdam, 2005
Hoe je geliefde te herkennen
Querido
Amsterdam, 2006
Übersetzer: Christiane Kuby