Tash Aw
Tash Aw wurde 1971 als Sohn malaysischer Eltern in Taipeh geboren. Als er zwei Jahre alt war, kehrte die Familie in ihre Heimat zurück. Aw wuchs in Kuala Lumpur auf, bevor er nach Großbritannien übersiedelte, wo er in Cambridge und Warwick Jura studierte. Anschließend arbeitete er in London als Rechtsanwalt und begann mit dem Schreiben.
2002 schloss er sein Studium an der Fakultät für Kreatives Schreiben der University of East Anglia ab; 2005 erschien »The Harmony Silk Factory« (dt. »Die Seidenmanufaktur ›Zur schönen Harmonie‹«, 2006). Die Handlung setzt im britisch verwalteten Malaysia um 1940 ein, unmittelbar vor dem Einmarsch der japanischen Armee. Erzählt wird aus der Perspektive eines Sohns des Kaufmanns, Kommunisten und Betrügers Johnny Lim, der sich mit seiner Frau und einer bunt gemischten Gruppe auf die Reise zu den geheimnisvollen Seven Maiden Islands begibt. Als das Schiff manövrierunfähig wird, kulminieren dort Ereignisse, die ihre Ursachen in der britischen Kolonialgewalt, aber auch in gescheiterten Träumen haben. Aw erzählt atmosphärisch dicht und mit feinem Humor und Sinn für das Außergewöhnliche: »Ich mochte immer, wenn sich Dinge außerhalb ihrer gewöhnlichen Umgebung befanden: ein modernes Gemälde in der Stube eines Kindermädchens, eine Büchse Mürbeteigkekse in einer malaysischen Küche – kleine Dinge, die auffallender werden, weniger selbstverständlich, wenn sie aus ihrem ›natürlichen‹ Kontext entfernt werden.«
Der Roman »Map of the Invisible World« (2009; dt. »Atlas der unsichtbaren Welt«, 2009) handelt von zwei Brüdern, die aus dem Kinderheim heraus von verschiedenen Familien adoptiert werden. Adam kommt zu einem indonesischen Maler, der verhaftet wird und verschwindet, woraufhin sich Adam auf die Suche nach ihm macht – und nach seiner eigenen Identität. Aw verknüpft ein persönliches Schicksal mit Reflexionen zu Indonesiens Weg in die Unabhängigkeit und den Themen Heimat und Integration. »Five Star Billionaire« (2013) über die Erfahrungen von fünf malaysischen Migranten in Schanghai hinterfragt den modernen asiatischen Traum, verkörpert durch den Aufstieg Chinas, und verhandelt Fragen der Migration.
In »We, the Survivors« (2019) erzählt Aw von einem einfachen, ungebildeten Mann aus einem malaysischen Fischerdorf, der einen Weg zu Reichtum und Sicherheit sucht – ein Versprechen an alle Menschen in Südostasien, das aber nur bei wenigen Privilegierten eingelöst wird –, sich von Job zu Job hangelt und einen Wanderarbeiter aus Bangladesch ermordet. Aw zeigt mit seinem Porträt eines Außenseiters die Erosionen eines Menschenlebens und die Verwüstungen jeglicher Hoffnung.
Aw wurde 2005 mit dem Commonwealth Writers’ Prize und dem Whitbread First Novel Award ausgezeichnet, sein Werk wurde in 23 Sprachen übersetzt.
Er lebt in Paris und Kuala Lumpur und kommentiert u. a. für »New York Times« und BBC Kultur und Politik im südostasiatischen Raum. Der Autor lebt 2024 als Fellow des Berliner Künstler*programms des DAAD in Berlin.
Die Seidenmanufaktur »Zur schönen Harmonie«
Rowohlt
Reinbek bei Hamburg, 2006
[Ü: Pociao u. Roberto de Hollanda]
Atlas der unsichtbaren Welt
Rowohlt
Reinbek, 2009
[Ü: Pociao]
Five Star Billionaire
Fourth Estate
New York, 2013
We, the Survivors
Fourth Estate
New York, 2019
Wir, die Überlebenden
Luchterhand Literaturverlag
München, 2022
[Ü: Pociao, Roberto de Hollanda]
Fremde am Pier. Porträt einer Familie
Luchterhand Literaturverlag
München, 2024
[Ü: Pociao, Roberto de Hollanda]