Steinunn Sigurðardóttir
Steinunn Sigurðardóttir wurde in Reykjavík geboren. Sie studierte Psychologie und Philosophie in Dublin und machte sich bereits als Neunzehnjährige mit ihrem Lyrikdebüt »Sífellur« (1969; Ü: Immerlinge) einen Namen. Bis in die 1980er Jahre hinein arbeitete sie als Reporterin und Nachrichtenkorrespondentin für den Isländischen Rundfunk, für den sie auch zwei Fernsehstücke schrieb. Im Rahmen ihrer Arbeit für das Fernsehen führte sie Interviews mit Halldór Laxness, Iris Murdoch und Björk u. a. Ihr schriftstellerisches Werk umfasst acht Romane, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden, Gedichtbände, Kurzgeschichtensammlungen, ein Buch über die ehemalige isländische Präsidentin Vigdís Finnbogadóttir und ein Kinderbuch. Zudem übersetzte sie Gedichte und Prosawerke.
Wie die anderen bedeutenden Schriftsteller ihrer Generation überwindet Steinunn Sigurðardóttir die isländische Tradition der Moderne, in der sich ihre ersten Gedichte noch bewegten. Eine zunehmend selbstbewusste Ambivalenz durchzieht die folgenden freieren und spielerischeren Werke, die Existenzielles und Humor, Lakonie und Erzählfreude, Trivialität und Ernsthaftigkeit miteinander verbinden. Steinunn Sigurðardóttirs erster Roman handelt von einem Frauenleben, in das die Liebe wie eine Naturgewalt hereinbricht. »TímaÞjófurinn« (1986; dt. »Der Zeitdieb«, 1997) erzählt, zwischen Lyrik und Prosa schwebend, von einer übermäßig selbstbewussten alleinstehenden Lehrerin, die das Ende einer stürmischen Affäre und die Erfahrung, zurückgewiesen worden zu sein, kaum verwinden kann. 1998 wurde der Roman mit Emmanuelle Béart und Sandrine Bonnaire in Frankreich verfilmt. Eine übermächtige Liebe ist auch Thema des Romans »Ástin fiskanna« (1993; dt. »Die Liebe der Fische«, 2006). Facettenreiche, kritische und humorvolle Porträts modernen isländischen Lebens, in denen selbst die Mythenwelt ironisch gebrochen dargestellt wird, finden sich auch in den anderen bislang auf Deutsch erschienenen Romanen der Autorin. »Hjartastaður« (1995; dt. »Herzort«, 2001) schildert die Beziehung einer alleinerziehenden Mutter zu ihrer drogenabhängigen Tochter, die sie aus dem gefährlichen Reykjavík an den beschaulichen Ort ihrer Kindheit bringen und damit retten will. »Jöklaleikhúsið« (2001; dt. »Gletschertheater«, 2003) erzählt von einer Laienschauspieltruppe, deren Inszenierung von Tschechows »Kirschgarten« ein ganzes Dorf in Aufruhr versetzt. In »Sólskinshestur« (2005; dt. »Sonnenscheinpferd«, 2008) lässt eine Frau ihr Leben Revue passieren, als sie nach 25 Jahren ihrer Jugendliebe wiederbegegnet. Ihre Erinnerungen werden zu einer Art Requiem auf eine ungelebte Kindheit. Im Herbst 2011 erscheinen auf Deutsch sowohl ihr Roman »Der gute Liebhaber« über einen Mann, der nach einem langen Auslandsaufenthalt zurückkehrt und mithilfe einer illustren befreundeten Psychiaterin, Doreen Ash, um seine Jugendliebe wirbt, wie auch der vom isländischen Maler Georg Gu∂ni illustrierte Gedichtband »Sternenstaub auf den Fingerkuppen«, der der Liebe in vielen Variationen nachspürt. Nach sieben Jahren in Paris und Südfrankreich lebt Steinunn Sigurðardóttir nun in Reykjavík und Berlin.
© internationales literaturfestival berlin
Der Zeitdieb
Ammann
Zürich, 1997
[Ü: Coletta Bürling]
Herzort
Ammann
Zürich, 2001
[Ü: Coletta Bürling]
Sonnenscheinpferd
Rowohlt
Reinbek, 2008
[Ü: Coletta Bürling]
Der gute Liebhaber
Rowohlt
Reinbek, 2011
[Ü: Coletta Bürling]
Sternenstaub auf den Fingerkuppen
[Mit Aquarellen von Georg Gu∂ni]
Kleinheinrich
Münster, 2011
[Ü: Gert Kreutzer]