Serhij Zhadan
- Ukraine
- Zu Gast beim ilb: 2010
Serhij Zhadan wurde 1974 in Starobilsk geboren, einer Industriestadt in der Ostukraine. In Charkiw studierte er Germanistik und Ukrainistik. Er promovierte über den ukrainischen Futurismus und war vier Jahre lang als literaturwissenschaftlicher Dozent tätig, bevor er sich dazu entschied, als freier Schriftsteller und Übersetzer zu arbeiten.
Zhadan, der in der Ukraine bereits acht Lyrik- und acht Prosabände veröffentlicht hat, gilt dort als einer der populärsten Autoren. Zu schreiben begann er in der Zeit des politischen Umbruchs in der Sowjetunion, welcher die Menschen in der Ukraine vor die Herausforderung stellte, sich in dieser neuen, halb beängstigenden, halb verheißungsvollen Situation zurechtzufinden. Seine damalige Lage und damit auch das vorherrschende Lebensgefühl der jungen Generation beschreibt der Autor in einem Interview: »Unser Zuhause war das Literaturmuseum, um das herum sich eine Art Punk-Kommune von Charkiwer Verlierern zusammenfand. Ich schlief damals in diesem Museum, und ich begann auch dort zu schreiben.« Eine zeittypische Mischung aus morbider Zerfallsromantik und trotziger Aufbruchsstimmung bestimmt Zhadans Werk. In seinem bekanntesten Lyrikband »Istorija kul’tury pocatku stolittja« (2003; dt. »Die Geschichte der Kultur zu Anfang des Jahrhunderts«, 2006) poetisiert der Autor mit einer radikalen und zugleich sensiblen Sprache den eigenen Orientierungsverlust in der postsozialistischen Gesellschaft. Auch in Zhadans Romanen »Depeš Mod« (2004; dt. »Depeche Mode«, 2007) – seinem ersten großen Prosawerk – und in »Anarchy in the UKR« (2005; dt. 2007) verlieren sich die Protagonisten im Chaos anarchischer Sozial- und Wirtschaftsstrukturen und im Labyrinth ihrer eigenen Wünsche und Träume. In »Himn demokratycnoi molodi« (2006; dt. »Hymne der demokratischen Jugend«, 2009), einem Prosaband, der sechs Erzählungen vereint, trifft der Leser auf unterschiedliche Repräsentanten dieser Generation »verlorener« junger Ukrainer. Es erscheinen Figuren wie San Sanytsch, ein sozialkritischer Ringkämpfer mit Abitur, und Goga, ein Veteran des Tschetschenienkriegs, der davon träumt, ein eigenes Lokal zu eröffnen. Zusammen gründen die beiden den ersten Schwulenklub der Stadt – eine Geschäftsidee, die wie so vieles andere in diesem Land zum Scheitern verurteilt scheint. Zuletzt veröffentlichte Zhadan »Mesopotamia« (2014, dt. »Mesopotamien«, 2015), eine Sammlung von neun Geschichten über die Sinnsuche verschiedener Personen, deren Lebensthemen im zweiten Teil des Buches in dreißig Gedichten wieder auftauchen.
Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit engagiert er sich als Veranstalter von Musik-, Literatur- und Politikfestivals, schreibt Songtexte und singt in seiner eigenen Band Sobaki v Kosmosi (Ü: Hunde im Weltall). 2006 erhielt der Autor den Hubert-Burda-Preis für junge osteuropäische Dichter. Er lebt in Charkiw.
Die Geschichte der Kultur zu Anfang des Jahrhunderts
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2006
[Ü: Claudia Dathe]
Depeche Mode
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2007
[Ü: Juri Durkot / Sabine Stöhr]
Anarchy in the UKR
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2007
[Ü: Claudia Dathe]
Hymne der demokratischen Jugend
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2009
[Ü: Juri Durkot / Sabine Stöhr]
Mesopotamien
Suhrkamp
Berlin, 2015
[Ü: Claudia Dathe, Juri Durkot, Sabine Stöhr]