Ruth Klüger
- Deutschland, Österreich, USA
- Zu Gast beim ilb: 2013
Ruth Klüger wurde 1931 in Wien als Tochter eines jüdischen Arztes geboren. Ihre Kindheit war geprägt von Antisemitismus und Ausgrenzung jüdischer Menschen aus dem öffentlichen Leben ihrer Geburtsstadt. Ihr Vater floh vor den Nationalsozialisten nach Frankreich, fiel aber dennoch der NS-Judenvernichtung in Auschwitz zum Opfer. Mit elf Jahren wurde Ruth Klüger mit ihrer Mutter in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, danach in das KZ Auschwitz-Birkenau und schließlich nach Christianstadt, wo ihr 1945 vor Kriegsende die Flucht gelang. Nach dem Krieg lebte sie in Bayern, wo sie ein Notabitur ablegte.
Von den Grausamkeiten ihrer Kindheit erzählt ihr Buch »weiter leben« (1992), das sich durch große Klarheit und Nüchternheit auszeichnet. Die Chronologie der Erzählung wird immer wieder durchbrochen von Bezügen zur Gegenwart. Mit ihrer kritischen Distanz zu einer bis zum Kitsch verzerrten literarischen Behandlung des Holocaust löste sie eine heftige Debatte aus. Heute gehört das Buch zum Kanon der Holocaust-Literatur. Es fand später eine Fortsetzung in »unterwegs verloren« (2008). Dabei handelt es sich weniger um Memoiren als vielmehr um eine Sammlung von Essays zu verschiedenen Themen als »Lebensbilder«. Ruth Klüger greift hier persönliche Fragen auf, reflektiert aber auch die gesellschaftlichen Entwicklungen in Europa und den USA, Diskriminierung, Rassismus und die Rolle der Frau in der modernen westlichen Gesellschaft.
Bevor Ruth Klüger 1947 in die USA auswanderte, studierte sie an der Regensburger Universität und freundete sich dort mit Martin Walser an, zu dem sie den Kontakt nach dem Erscheinen von »Tod eines Kritikers« 2002 abbrach. In den USA setzte sie ihr Studium in New York und Berkeley fort. Ab 1967 lehrte sie in Princeton und Irvine deutsche Sprache und Literatur, seit 1988 hat sie zudem eine Gastprofessur an der Georg-August-Universität Göttingen inne. Neben ihrer Lehrtätigkeit schrieb sie zahlreiche literaturwissenschaftliche Abhandlungen und tritt darüber hinaus mit Vorträgen und Essays zur Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte und Literatur in Erscheinung. Mit ihrer feministischen Rezeptionsanalyse »Frauen lesen anders« (1996) und ihrer Untersuchung von Werken weiblicher Gegenwartsautoren »Was Frauen schreiben« (2010) leistete sie vieldiskutierte Beiträge zum Feminismus in der Literatur. Außerdem arbeitete sie als Literaturwissenschaftlerin zu Heinrich von Kleist, war viele Jahre Herausgeberin des »German Quarterly« und beteiligte sich an der von Marcel Reich-Ranicki gegründeten »Frankfurter Anthologie«, einer Sammlung deutschsprachiger Gedichte und deren Interpretationen.
Ruth Klüger wurde u. a. mit dem Österreichischen Staatspreis für Literaturkritik 1997, dem Thomas-Mann-Preis 1999 und dem Preis der Stadt Wien für Publizistik 2003 geehrt. Sie lebt in Irvine, Kalifornien, und Göttingen.
weiter leben
Eine Jugend
Wallstein
Göttingen 1992
Frauen lesen anders
Essays
dtv
München 1996
Gemalte Fensterscheiben
Über Lyrik
Wallstein
Göttingen 2007
unterwegs verloren
Erinnerungen
Zsolnay
Wien 2008
Was Frauen schreiben
Zsolnay
Wien 2010