Péter Zilahy
Péter Zilahy wurde 1970 in Budapest geboren. Er studierte Philosophie und Anthropologie an der Budapester ELTE-Universität. Zwischen 1997 und 1999 war er verantwortlicher Herausgeber des englisch- und ungarischsprachigen Internetmagazins „Link Budapest“, das sich zeitgenössischer Literatur widmet. Seit 1998 ist er auch als Herausgeber von Büchern über Kunst tätig und kuratierte die „JAK-Weltausgabe“ für JAK, eine Vereinigung junger ungarischer Schriftsteller. Unter anderem wurden in dieser Serie Werke junger deutscher Autoren, darunter Ingo Schulze und Jenny Erpenbeck, dem ungarischen Publikum vorgestellt.
Im Alter von 23 Jahren veröffentlichte Zilahy seinen ersten Gedichtband, „Lepel alatt ugrásra kész szobor“ (1993). Seine Kurzgeschichten verarbeiten Erfahrungen und Erlebnisse zahlreicher Reisen, die ihn um die ganze Welt, vor allem aber nach Osteuropa führten, wo er die politischen Verwerfungen in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren mit besonderem Interesse verfolgte. Auch sein bekanntestes Werk, „Az utolsó Ablakzsiráf“ (1998; dt. „Die letzte Fenstergiraffe“, 2004), zeugt davon. In diesem Text, einem Hypertext in Form eines Kinder-Lexikons, beschreibt Zilahy als Beispiel einer typischen osteuropäischen Jugend in den siebziger und achtziger Jahren die Geschichte seines eigenen Aufwachsens. Gleichzeitig entwickelt sich mit einer Vielzahl von Anekdoten aus dem Bereich des politischen Protests in den sogenannten „weichen“ Diktaturen vor dem Auge des Lesers ein panoramisches Bild vom Alltag während der Zeit des politischen Wandels im Ostblock. In seiner Darstellung ähnelt der Text Joseph Hellers „Catch 22“, auch wenn er nicht die Absurdität des Krieges, sondern den „ganz normalen Wahnsinn der osteuropäischen Diktaturen“ thematisiert. Die Textordnung bildet mit alphabetischer Reihenfolge und Textillustrationen die Systematik eines Lexikons nach. Passagen über persönliche Erlebnisse scheinen so in eine zufällige Chronologie zu zerfallen, in ein Netz von Fotomontagen, Grafiken, Klängen, Kinderbuchillustrationen und den fließenden Text. Im Herzen dieser Collage, die aus der Linearität des Lesens ein lebendiges Eintauchen unter die Oberfläche der Dinge macht, steht der Kontrast zwischen der naiven Perspektive des Kindes und den Klischees einer verkommenen Politik.
„Die letzte Fenstergiraffe“ erregte lang anhaltende Aufmerksamkeit. Neben dem Buch, das in achtzehn Sprachen übersetzt wurde, produzierte Zilahy eine CD-ROM und entwickelte eine Hörspielversion sowie verschiedene Performances, die der Vielschichtigkeit der Textvorlage entsprechen. Im Jahr 2000 wurde dem Autor ein Stipendium des Deutschen Außenministeriums zuerkannt, 2001 wurde ihm der Preis der Stiftung Preußische Seehandlung verliehen. Im selben Jahr war Zilahy Gast des Literarischen Colloquiums in Berlin-Wannsee und erhielt ein Stipendium in New York. 2002 war er Stipendiat auf Schloss Wiepersdorf.
Zuletzt veröffentlichte Zilahy die in sieben Genres verfasste Textsammlung „Three plus 1“ (2007). Im Mai 2007 wurde sein Theaterstück „Der lange Weg nach nebenan“ an der Berliner Volksbühne aufgeführt. Es war zudem in Leipzig, Stuttgart, Weimar und Düsseldorf zu sehen. Der Autor schreibt regelmäßig für „Tagesspiegel“, „Welt“ und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Er lebt in Berlin.
© internationales literaturfestival berlin
Lepel alatt ugrásra kész szobor
Pesti Szalon
Budapest, 1993
Az utolsó ablakzsiráf
Ab Ovo
Budapest, 1998
Drei
Solitude
Stuttgart, 2003
Übersetzung: Agnes Relle
Die letzte Fenstergiraffe: Ein Revolutionsalphabet
Eichborn
Frankfurt/Main, 2004
Übersetzung: Terézia Mora
Übersetzer: Terézia Mora, Agnes Relle