Nancy Morejón
- Kuba
- Zu Gast beim ilb: 2013
1944 in Havanna geboren, hat Morejón seit 1959 Kuba hautnah erlebt. Sie schloss sich der unkonventionellen Gruppe der Ediciones El Puente an, die einen eigenen Verlag gründete. 1962 kam dort ihr erster Poesieband heraus, Mutismos (Mutismen).
Morejón studierte Französisch an der Universität Havanna und schloss ihr Studium 1966 mit einer Arbeit zu Aimé Césaire aus Martinique ab. Ein Jahr später folgte Richard trajo la flauta (Richard brachte die Flöte) in einem anderen Verlag, in dem sie ihr Wohnviertel Los Sitios und seine Menschen in Havanna thematisiert. Es ist eine musikalische Umgebung, in der eine lebendige Straßenkultur herrscht. Diese ist teilweise an spirituellen Einflüssen aus Afrika orientiert, die in ihrer Dichtung besonders mit Erinnerungen an die Vergangenheit verknüpft sind, in der die Autorin eine Genealogie von Familienmitgliedern, Künstlern und Freunden situiert.
1983 besuchte Morejón zum ersten Mal die USA. Zwei Jahre später erschien dort eine Anthologie ihrer Gedichte Where the Island Sleeps like a Wing. Ihre Sprache ist einfach; sie vermeidet komplizierte Worte und Begriffe. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ihre Poesie eindeutig ist; ihre Metaphern umfassen Bilder aus verschiedenen Kulturen und Epochen. Seit 1979 beginnt sie ihre Erfahrungen mit dem sozialistischen Alltag zu verarbeiten, wie im zweisprachigen Grenada Notebook / Cuaderno de Granada (1984 in New York publiziert). Das Heft bezieht sich auf den nordamerikanischen Einsatz auf der Karibikinsel Grenada. Aber seit der Speziellen Friedensperiode (Período Especial de la Paz) in Kuba nach dem Zusammenbruch des Comecon verändert sich Morejón’s Stil, und es beginnt eine Reise zu einer mehr bildnerischen Sprache. Paisaje Célebre (1993, Ruhmreiche Landschaft 2001) kündigt dies schon an. Orientiert an Brueghel’s Bild vom Sturz des Ikarus schreibt Morejón:
„Man sieht den Sturz des Ikarus von der Bucht aus,
blau und grün, von Alamar.“
Und dezidiert stellt sie am Ende fest:
„Es wird Abend, und ich nehme mir die Flügel von Ikarus.“
Im Titel ihres jüngst erschienenen Gedichtbandes Peñalver 51 (2010) steht Los Sitios – ihr Quartier – wieder im Mittelpunkt. Morejón schreibt Essays, ist auch bildende Künstlerin und Übersetzerin von Edouard Glissant und Aimée Césaire ins Spanische. Sie war zweimal Direktorin des Zentrums für karibische Studien von Casa de las Américas (1986-1989; 2000-2006). 2006 bekam sie den Poesiepreis des 45. Internationalen Poesiefestivals in Struga, Mazedonien. Sie wurde vielfach ausgezeichnet in Spanien, Frankreich und den USA. 2012 wurde sie in den Vorstand der Kubanischen Akademie für die Spanische Sprache in Kuba aufgenommen. Heute ist sie Mitglied des Herausgebergremiums der Zeitschrift Casa de las Américas und seit 2008 Präsidentin des Kubanischen Schriftstellerverbandes UNEAC. Die Autorin lebt in Havanna.
Richard trajo su flauta y otros argumentos
UNEAC
La Habana, 1967
Elogio de la danza
UNAM
México, 1982
La Quinta de los Molinos
Letras Cubanas
La Habana, 2000
Ruhmreiche Landschaft. Gedichte
Coleba Verlag / BoD – Books on Demand, 2. Aufl.
Triesen, 2001 / Norderstedt 2020
Peñalver 51
Fundación Sinsonte
Zamora, 2009
Carbones silvestres / Wilde Kohlen. Gedichte
Wissenschaftlicher Verlag Berlin
Berlin, 2010 [Ü: Ineke Phaf-Rheinberger]
Augen. Gedichte
Klaus Isele Editor, BoD – Books on Demand, 2. Aufl.
Norderstedt 2020