Nam Le
Nam Le wurde 1978 in Vietnam geboren und wuchs in Australien auf. Er studierte Jura an der Melbourne University. Nach seinem Abschluss arbeitete er jedoch nur kurz als Anwalt und fand seine Berufung schon bald im Schreiben. In einem Interview erklärte er seinen Sinneswandel mit seiner eigenen Vorliebe fürs Lesen: Die Gefühle, die er selbst beim Lesen empfinde, wolle Le auch für andere Menschen erschaffen. Als eine Inspirationsquelle für seine Arbeit nannte er vor allem seine Eltern, die als Flüchtlinge vor dem kommunistischen Regime 1979 nach Australien kamen und stets große Opfer in ihrem Leben bringen mussten.
Während einer einjährigen Weltreise entstand die Idee für einen ersten Roman, mit dem er sich im US-amerikanischen Iowa für den Iowa Writer’s Workshop bewarb. Er absolvierte dort einen Master in Creative Writing und warf seinen Roman weg. Le erhielt mehrere Stipendien in den USA, Europa und Australien und wurde Redakteur bei der »Harvard Review«.
2008 erschien »The Boat« (dt. »Im Boot«, 2008), eine Sammlung von sieben Geschichten, die, alle in unterschiedlicher Hinsicht im Krieg spielend, die Brutalität des Lebens zeigen. Ob im Vietnam-, Atom- oder Geschlechterkrieg, Les Figuren sind stets dem eigenen Untergang nahe und, der Realität schonungslos ausgeliefert, nicht mehr Herr ihres eigenen Schicksals. Sie können als Opfer des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden. Ihre Geschichten decken auch die dunklen Seiten der modernen Gesellschaft auf, hinter deren schönem Schein sich eine dramatische Wirklichkeit verbirgt. Egal an welchem Schauplatz – ob in der amerikanischen Kleinstadt, in New York City, Teheran, Hiroshima oder im kolumbianischen Elendsviertel –, die Situation seiner Protagonisten scheint ausweglos. Sei es der australische Jugendliche, der sich in die Freundin eines berüchtigten Schlägers verliebt; die Amerikanerin, die auf einer Reise in den Iran mit ihren eigenen persönlichen und politischen Illusionen konfrontiert wird; oder der kolumbianische Auftragskiller, der seinen besten Freund verschont und sich somit selbst in Gefahr bringt − sie alle haben Hoffnungen, die am Ende enttäuscht zu werden scheinen, aber auch zum Durchhalten ermutigen. Les Debütwerk ist damit einerseits eine Reise um den gesamten Globus. Andererseits verarbeitet der Autor auch autobiografische Elemente und erzählt Geschichten von Vietnam und seinen Einwohnern.
»The Boat« wurde bislang in 14 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Anisfield-Wolf Book Award, dem PEN/Malamud Award, dem Melbourne Prize for Literature und dem Australian Prime Minister’s Literary Award, und es wurde von mehr als dreißig Zeitungen weltweit zum Buch des Jahres gewählt, u. a. von »New York Times«, »Los Angeles Times« und »Independent«. Le erhielt 2008 außerdem den Dylan Thomas Prize für das beste englischsprachige Werk eines Autors unter dreißig. Er lebt abwechselnd in Australien und im Ausland.
© internationales literaturfestival berlin
Im Boot
Claassen
Berlin, 2008
[Ü: Sky Nonhoff]