Mircea Cărtărescu
- Rumänien
- Zu Gast beim ilb: 2015
Mircea Cărtărescu wurde 1956 in Bukarest geboren. Nach Abschluss seines Studiums an der philologischen Fakultät der Universität Bukarest arbeitete er als Lehrer für rumänische Sprache und Literatur an einem Gymnasium, bevor er für ein Jahr die »Caiete critice« (Ü: Hefte für Literaturkritik) herausgab. Seit 1990 ist er Professor für rumänische Literaturgeschichte an der Fakultät, von der er 1999 für eine Arbeit zum rumänischen Postmodernismus den Doktor verliehen bekam. Er unterrichtete außerdem an den Universitäten von Amsterdam und Wien und an der FU Berlin (Samuel-Fischer-Gastprofessur 2010).
Sein literarisches Debüt feierte das Mitglied des Europäischen Kulturparlaments und des Rumänischen PEN 1980 mit dem Gedichtband »Faruri, vitrine, fotografii« (Ü: Scheinwerfer, Schaufenster, Fotos). Sein erstes Prosawerk »Visul« (1989; dt. »Nostalgia«, 1998) erzählt vom Bukarest der Sechziger und Siebziger und von Abenteuern der Kindheit und Jugend, in denen sich die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit ständig verschieben. Die gleichbleibende erzählerische Intensität, die auch alltägliche Orte und Gegenstände mit Bedeutung auflädt, brachte den »Spiegel« dazu, den rumänischen Autor als »Proust im Plattenbau« zu bezeichnen. Cărtărescus Werk ist dabei breit gefächert: Zu den bisher 23 Büchern, die er auf Rumänisch veröffentlichte, zählen u.a. literaturkritische Essays wie der 1991 erschienene Aufsatz »Visul chimeric« (Ü: Der chimärische Traum), »Parfumul aspru al ficţiunii« (2003; Ü: Das raue Parfüm der Fiktion), fünf Audiobücher, das Kinderbuch »Enciclopedia zmeilor« (2002; Ü: Die Enzyklopädie der Drachen), drei Tagebücher, der Erzählband »De ce iubim femeile« (2004; dt. »Warum wir die Frauen lieben«, 2008), das Langgedicht »Levantul« (1990; Ü: Die Levante), der Roman »Travesti« (1994; dt. »Travestie«, 2010) und die dreiteilige Romanreihe »Orbitor« (Ü: Blendwerk). In den Bänden »Aripa stângă« (1996; dt. »Die Wissenden«, 2007), »Corpul« (2002; dt. »Der Körper«, 2011) und »Aripa dreaptă« (2007; dt. »Die Flügel«, 2014) entfaltet Cărtărescu in Form einer Autobiografie, die er selbst in einem Interview als unzuverlässig bezeichnete, die Geschichte seiner Familie zur Zeit des Diktators Nicolae Ceauşescu. Die Schilderung der absurd anmutenden Zustände verbindet er mit Reflexionen über das Schreiben, das für Cărtărescu so zum Leben gehört, dass er für sich den Begriff der »Texistenz« prägte. Erneut verschwimmen dabei die Grenzen zum Surrealen, und die alltägliche Bedrohung durch die Geheimpolizei bereitet den Boden für Albträume und Halluzinationen.
Cărtărescu, der in der Presse bereits mehrfach als Anwärter auf den Literaturnobelpreis gehandelt wurde, erhielt den Internationalen Literaturpreis (Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 2012), den Spycher: Literaturpreis Leuk (2013) und den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (2015). Er lebt in Bukarest.
Die Wissenden
Zsolnay
Wien, 2007
[Ü: Gerhardt Csejka]
Warum wir die Frauen lieben
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2008
[Ü: Ernest Wichner]
Travestie
Suhrkamp
Berlin, 2010
[Ü: Ernest Wichner]
Der Körper
Zsolnay
Wien, 2011
[Ü: Gerhardt Csejka / Ferdinand Leopold]
Die Flügel
Zsolnay
Wien, 2014
[Ü: Ferdinand Leopold]