Michael Greenberg
Michael Greenberg wurde 1952 in New York geboren. Im Alter von 16 Jahren brach er die Schule ab und reiste nach Argentinien, wo er als Reporter über den Terror der Militärdiktatur gegen die Opposition berichtete. Heute ist er Herausgeber der »Boston Review« und arbeitet seit 2003 als Kolumnist für »The Times Literary Supplement« in London. Seine Essays, Prosastücke, Kritiken und Reiseberichte erschienen in Zeitungen und Magazinen wie »The New York Review of Books« oder »The Village Voice«. Greenberg schreibt auch Drehbücher und war an Filmprojekten mit Robert Frank, Rudy Wurlitzer, Sergio Castilla und David Atkins beteiligt. Er lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in New York.
Seit der Veröffentlichung von »Hurry Down Sunshine« (2008; dt. »Der Tag, an dem meine Tochter verrückt wurde«, 2009), das der Neurologe und Schriftsteller Oliver Sacks in den Rang eines Klassikers erhoben hat, ist Greenberg auch bei einem breiteren Publikum bekannt. In der autobiografischen Erzählung beschreibt er, wie seine 15-Jährige Tochter Sally im Sommer 1996 mit einer Psychose in die Psychiatrie eingeliefert wird. Er begleitet sie bei der Therapie und protokolliert die Entwicklung der Krankheit, die eigene Hilflosigkeit und die Auswirkungen auf seine Ehe und auf Freunde und Kollegen.
Die nüchterne Genauigkeit seines Berichts, geschrieben in schlichter, schonungsloser Prosa und mit sparsamen Dialogen, kontrastiert spannungsvoll mit dem assoziativen, metaphernreichen Stil einzelner Beschreibungen, die von der lyrisch anmutenden Sprache der kranken Sally inspiriert sind. In ihrer Unsentimentalität zeichnet die »wahre Geschichte« nicht nur ein bewegendes Schicksal nach, sondern vermittelt auch eine Faszination für die Krankheit der Psychose. Nach eigener Aussage wollte Greenberg eine literarische Lücke schließen, da die Literatur der Geisteskrankheit – auf die er sich im Laufe des Romans auch mehrfach bezieht – die Sicht der Patienten vor die Sicht der Angehörigen stellt.
In seinem aktuellsten Werk, »Beg, Borrow, Steal: A writer’s life« (2009; Ü: Schwarzer Anzug, einmal getragen $ 45), fügt Greenberg vom eigenen Leben und Erleben inspirierte Geschichten, die er zwischen 2003 und 2009 in seiner Kolumne in »The Times Literary Supplement« veröffentlichte, zu einer Autobiografie zusammen. Das Bruchstückhafte der anekdotischen Kurzgeschichten, die vielen sonderbaren Charaktere, die das Buch bevölkern, und das wirbelnde Großstadtleben New Yorks verleihen dem Werk eine lebhafte, pulsierende Atmosphäre. Greenberg verknüpft die Fragmente aus seinem Leben mit politisch-gesellschaftlichen Ereignissen und fügt sie so in die Geschichte des 20. und frühen 21. Jahrhunderts ein.
© internationales literaturfestival berlin
Der Tag, an dem meine
Tochter verrückt wurde
Hoffmann und Campe
Hamburg, 2009
[Ü: Hans-Christian Oeser]
Beg, Borrow, Steal:
A writer’s life
Other Press
New York, 2009