Meir Shalev
- Israel
- Zu Gast beim ilb: 2008
Meir Shalev wurde 1948 im Kibbuz Nahalal kurz nach der Gründung des Staates Israel geboren. Der Sohn des Schriftstellers Yitzchak Shalev kämpfte als Neunzehnjähriger im Sechstagekrieg. Anschließend studierte er Kunst und Psychologie an der Hebrew University of Jerusalem und arbeitete als Moderator und Produzent von satirischen Sendungen in Fernsehen und Radio.
Sein Debütroman »Roman Russi« (1988, dt. »Ein russischer Roman«, 1991) verbindet das Leben von drei Generationen mit der Gründung Israels. Im Mittelpunkt steht der Enkel eines Siedlungspioniers im Jisreel-Tal. Shalev malt mit detailreichen, sinnlichen Bildern und leisem Humor magische und komplexe Beziehungsgeflechte, in denen individuelle Schicksale, mythische Gestalten, Menschheits- und Landesgeschichte resonieren. International bekannt wurde er 1994 mit dem Roman »Ke’Jamim Ahadim« (dt. »Judiths Liebe«, 1998), einer in verschiedenen Zeit- und Handlungsebenen erzählten Familiensaga und Liebesgeschichte dreier Männer zu Judith, der Mutter des Ich-Erzählers. Der neueste Roman »Jona ve Na’ar« (2006, dt. »Der Junge und die Taube«, 2007) zeigt die verborgene Beziehung zwischen dem Touristenführer Jair und einem Brieftaubenzüchter, der 1948 im Unabhängigkeitskrieg stirbt, wiederum vor dem Hintergrund der Entwicklung Israels.
Einen Namen machte sich Shalev auch mit seinen politischen, ironischen und polemischen Kolumnen in der Tageszeitung »Jedioth Acharonoth«. Von seiner Kriegserfahrung geprägt, ist der Autor ein Befürworter der Rückgabe der besetzten Gebiete. Als Zionist erinnert er an Israels einstige Ziele. »Israel hat seine Energie, Zeit und Geld auf die Besatzung verschwendet und dabei die Bildung, die Kultur, das ganze zivilgesellschaftliche Leben vernachlässigt. Dabei ist die Essenz von 2000 Jahren jüdischen Exils verloren gegangen: Dass das Leben nur ums Lernen kreist.«
Shalevs Kinderbücher wurden von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur mehrmals als »Bilderbuch des Monats« ausgezeichnet. Als Sachbuchautor und meisterhafter biblischer Exeget zeigte er sich in »HaTanach Achshav« (1985, dt. »Der Sündenfall – ein Glücksfall?«, 1999), einer Sammlung moderner Analysen und Nacherzählungen des Alten Testaments, die auch eine politische Dimension hat: »Ich halte die Leichtfertigkeit für unverzeihlich, mit der die weltlichen Juden in Israel dem religiösen Lager gestatten, die Bibel mit Beschlag zu belegen. Gerade weil ich säkular bin, habe ich eine Menge von der Bibel gelernt.«
Shalevs Werke wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Brenner-Preis, dem Bernstein-Preis, dem Premio Scrivere per Amore, dem National Jewish Book Award, dem Literaturpreis der Stadt Chiavari und dem Shimon-Ben-Schemesch-Preis. Der Autor ist korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Er lebt mit seiner Familie in Jerusalem.
© internationales literaturfestival berlin
Ein russischer Roman
Diogenes
Zürich, 1991
[Ü: Ruth Achlama]
Judiths Liebe
Diogenes
Zürich, 1998
[Ü: Ruth Achlama]
Der Traktor im Sandkasten
Diogenes
Zürich, 1999
[Ü: Naomi Nir-Bleimling, Vera Loos]
Der Sündenfall – ein Glücksfall
Diogenes
Zürich, 1999
[Ü: Ruth Melcer]
Im Haus der großen Frau
Diogenes
Zürich, 2000
[Ü: Ruth Achlama]
Fontanelle
Diogenes
Zürich, 2004
[Ü: Ruth Achlama]
Der Junge und die Taube
Diogenes
Zürich, 2007
[Ü: Ruth Achlama]
Übersetzung: Ruth Achlama, Ruth Melcer, Naomi Nir-Bleimling, Vera Loos