Ken Bugul
- Senegal
- Zu Gast beim ilb: 2001
Ken Bugul , mit bürgerlichem Namen Mariétou Biléoma Mbaye, wurde 1948 in Ndukumane, Senegal, geboren. Ihr Pseudonym bedeutet in der Sprache ihres Stamms, Wolof, etwa »niemand will sie haben«. Diesen Namen tragen im Senegal üblicherweise Frauen, die tote oder nicht lebensfähige Kinder gebären. Als Tochter eines Marabuts 1, der zur Zeit ihrer Geburt 85 Jahre alt war, wuchs die afrikanische Autorin in einem polygamen Milieu auf. Sie besuchte eine französische Schule, studierte an der Universität in Dakar und ging dann mit einem Stipendium nach Belgien. 1980 kehrte sie in ihre Heimat zurück. Auf der Suche nach ihrer kulturellen Identität fand sie auch zur islamischen Religion zurück. Den freiwilligen Eintritt in den Harem des Marabuts ihres Heimatdorfes (als 28. Ehefrau) verstand die damals 32-Jährige als Möglichkeit eines spirituellen Neubeginns. Wenig später jedoch, nach dem Tod des Patriarchen, führte sie ihr Weg wieder in die Großstädte, über Dakar nach Benin, wo sie einen Arzt heiratete und eine Tochter bekam. Die Autorin lebt heute als Kunsthändlerin in Porto Novo, Benin.
Mit ihrem ersten Roman, »Die Nacht des Baobab«, der als bisher einziger auch auf deutsch erschienen ist, machte Ken Bugul international Furore. Lange stand er auf den Bestsellerlisten Westafrikas. Die Namensgleichheit von Autorin und Erzählerin verweist auf den autobiographischen Charakter dieses Werks. Es kulminiert in der bitteren Erkenntnis der Protagonistin Ken, daß sie auch in Westeuropa, das sie einst sehnsüchtig angesteuert hatte, »nicht gewollt« ist. Die Rückkehr in die Heimat kommt einer Rettung gleich: »Ich hatte versucht, mir zu trotzen, hatte beinahe gesiegt, aber war das Spiel den Einsatz wert? Ich war rechtzeitig wieder zu Bewußtsein gekommen.« Kritisch betrachtet die Autorin mithin nicht nur das kolonisierte, seiner Identität zunehmend beraubte Heimatland, sondern auch die Realität einer freien, vermeintlich multikulturell-offenen Gesellschaft. Während sich die Autorin in ihrem Erstlings-werk noch fast vollständig mit ihrer Erzählerin indentifizierte, verarbeitete sie ihre authentischen Erfahrungen, das Leben im Harem eines Marabuts, in »Riwan ou le chemin de sable«, indem sie verschiedene Perspektiven einnahm: die der jungen, zur neuesten Ehefrau be-stimmten Rama, die der emanzipierten, europäisch ausgebildeten Erzählerin und die des dem Wahnsinn verfallenden Riwan. Dieses Werk wurde mit dem Grand Prix littéraire de l’Afrique noire ausgezeichnet. Bis heute hat Ken Bugul sieben Romane veröffentlicht. In ihrem neuesten Werk »La pièce d’or« (2006; Ü: Das Goldstück) setzt sie sich mit dem Thema der Migration auseinander.
© internationales literaturfestival berlin
Die Nacht des Baobab
Unionsverlag
Zürich, 1985
Übersetzung: Inge M. Artl
Cendres et braises
L´Harmattan
Paris, 1994
Riwan ou le chemin de sable
Présence Africaine
Paris, 1999
La folie et la mort
Présence Africaine
Paris, 2000
De l’autre côté du regard
Le Serpent à Plumes
Paris, 2003
Rue Félix-Faure
Le Serpent à Plumes
Paris, 2003
La pièce d’or
Ubu
Paris, 2006
Übersetzer: Inge M. Artl, Andrea Springler