Julia Leigh
- Australien
- Zu Gast beim ilb: 2013
Julia Leigh wurde 1970 geboren. An der University of Sydney studierte sie Philosophie und Jura.
1999 erschien ihr Debüt »The Hunter« (dt. »Der Jäger«, 2002), das von der Kritik enthusiastisch aufgenommen wurde: Der englische »Observer« setzte Leigh sogleich auf die Liste der »21 Autoren, die im neuen Millennium im Auge behalten werden sollten«, und Don DeLillo sprach von »einem starken und geradezu hypnotischen Text«. Mit äußerster atmosphärischer Dichte und narrativer Stringenz wird hier von einer Jagd auf den vermeintlich ausgestorbenen tasmanischen Tiger erzählt. Dabei ist Leighs Erzählung trotz Vermeidung eines Icherzählers stets an die ambivalente, scheinbar unnahbare Figur eines namenlosen Söldners gebunden, der von einer obskuren Organisation mit dem vordergründig unmöglichen Auftrag betraut wurde. Nicht nur auf der Metaebene, jener der existenziellen Suche, offenbart sich die philosophische Dimension des Romans. So sind einzelne, besonders durch ihren präzisen Stil bestechende Passagen von Reflexionen über die menschliche Bedingtheit durchdrungen. Gleichermaßen überzeugend sind die plötzlich aufblitzenden Momente beißenden Witzes. Zudem finden sich in Leighs Schaffen eklektische literarische Verweise, von Camus’ »Fall« bis zu den Erzählungen Ingeborg Bachmanns. 2011 wurde der Roman mit Willem Dafoe in der Hauptrolle verfilmt. Leigh nahm 2002 an dem »Rolex Mentor & Protégé«-Programm teil und arbeitete zusammen mit der Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison an ihrem zweiten literarischen Werk, der Novelle »Disquiet« (2008; dt. »Unruhe«, 2009), einer eindringlichen Variation der Schauergeschichte, zeitgenössisch und zeitlos zugleich. Innerhalb einer von Verlust geprägten Familienkonstellation werden Trauer, Selbstzerstörung und Lebensdrang der einzelnen Figuren weniger bloßgelegt; vielmehr potenzieren sich Verschwiegenheit und undurchsichtige Vergangenheit gegenseitig, wodurch die eigentliche Spannung im Negativraum der Zeilen entsteht. Für die Novelle erhielt Leigh mehrere Literaturpreise, u. a. den Encore Award (2009). Während Leigh an der filmischen Adaption ihres Erstlings nicht beteiligt war, fungierte sie als Autorin und Regisseurin bei ihrem eigenen Filmprojekt »Sleeping Beauty«, das 2011 in Cannes seine Premiere feierte und sowohl für die Palme d’Or als auch für die Camera d’Or nominiert war. Seither wurde der Film in zahlreiche Länder verkauft, auf über dreißig Festivals gezeigt und mehrfach ausgezeichnet.
Trotz ihres schriftstellerischen Erfolgs wandte sie sich von der akademischen Tätigkeit nicht ab und erlangte 2009 den Doktorgrad in englischer Sprache und Literatur an der University of Adelaide. Leigh lebt in Sydney.
Der Jäger
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2002
[Ü: Christel Dormagen]
Unruhe
Liebeskind
München, 2009
[Ü: Marica Bodrožić]