Julia Billet
- Frankreich
- Zu Gast beim ilb: 2010
Julia Billet, 1962 in Frankreich geboren, schreibt bereits seit ihrer Kindheit und ist nach eigener Aussage »verrückt nach allem, was mit Literatur zu tun hat«. Tagsüber arbeitet sie in der Erwachsenenbildung und leitet Schreibwerkstätten. Daneben nutzt sie vor allem die Nächte, um ihre Kinder- und Jugendbuchtexte zu schreiben, in denen sie sich als präzise Beobachterin menschlicher existenzieller Grundsituationen, politisch-kultureller Spannungsfelder und vor allem der Situation sozialer Außenseiter der französischen Gesellschaft erweist.
Ein Beispiel dafür ist »De silences et de glace« (2002; Ü: Von Schweigen und Eis), in dem Sarah nach dem Tod ihres Bruders nicht nur mit ihrer eigenen Trauer umzugehen lernen, sondern auch hilflos zusehen muss, wie ihre Eltern sich hinter einer Mauer des Schweigens, der Leugnung und Verdrängung verschanzen. Oder »Cris de guerre« (2000; Ü: Kriegsschreie) mit der Darstellung der Konfrontation von neun Frauen mit unterschiedlichen Ausformungen von Krieg und Gewalt. Auf ihre Themenwahl angesprochen, antwortet Julia Billet in einem Kurzinterview auf der Homepage der »Association Centre International d’Etudes en Littérature Jeunesse«: »Das, was mich berührt, das, was mich wütend macht, das, was mich bewegt, das, was ich in mir trage, ohne dass es mir immer bewusst wäre. Ich bin meiner Umwelt gegenüber empfindsam. Meine Inspiration gewinne ich aus dem Blick auf die Welt, in der ich lebe.« So erzählt sie in »Salles des pas perdus« (2003; Ü: Bahnhofshallen) von den am Bahnhof gestrandeten Außenseitern, die, nachdem sie alles verloren haben, nichts mehr von der Gesellschaft erwarten und von ihr längst abgeschrieben worden sind. Auch in ihrem Jugendbuch »Alors, partir?« (2008; Ü: Fortgehen?) wirft sie einen erzählerischen Blick auf den Alltag einer Randgruppe, in diesem Fall von Sinti und Roma, deren sesshaftes Leben ein jähes Ende findet, als ein amtlicher Erlass die Räumung des Lagers und damit eine erneute Entwurzelung ankündigt. Der Jugendliche Jaime macht dabei die Erfahrung, dass seine Liebe zu Sprache und Literatur ihm helfen kann, nicht nur Brücken zwischen der oralen Erzählkultur seines Volks und den Möglichkeiten der Schriftkultur, sondern auch zwischen den Erinnerungen an die Vergangenheit und dem Jetzt zu schlagen. Während einer Autofahrt auf eine Wohnwagensiedlung aufmerksam geworden, inspirierte die Begegnung mit der dort lebenden Gruppe von Sinti und Roma die Autorin zur Auseinandersetzung mit deren Kultur.
Julia Billet erhielt nationale und internationale Auszeichnungen und war mit »Alors, partir?« u. a. 2009 für den »Prix des lycéens allemands« nominiert. Heute lebt sie im Pariser Umland.
© internationales literaturfestival berlin
Salle des pas perdus
Ecole des loisirs
Paris, 2003
Cris de guerres
HB Editions
Forcalquier, 2004
Pourquoi c’est toujours moi qui?
Océan
Saint-André, 2007
[Ill: Nana Margabim]
Alors, partir?
Seuil
Paris, 2008
Sayonara Samouraï
Seuil
Paris, 2009