Judith Kerr
- Deutschland, Großbritannien
- Zu Gast beim ilb: 2016
Judith Kerr, die Tochter des Theaterkritikers Alfred Kerr, wurde 1923 in Berlin geboren. Im Jahr 1933 floh die Familie aus Deutschland über die Schweiz nach Frankreich, wo Judith Kerr zwei Jahre zur Schule ging und Französisch lernte. 1936 floh die Familie weiter nach London. Hier besuchte Judith Kerr die Central School of Arts and Crafts und arbeitete in den Kriegsjahren beim Roten Kreuz. Nach 1945 wurde sie Redakteurin bei der BBC. Obwohl sie schon als Kind von einer Schriftstellerkarriere geträumt hatte, begann sie mit dem Schreiben und Illustrieren von Kinderbüchern erst, als ihre Kinder das Lesen lernten.
Zu ihrer Geschichte »The Tiger Who Came to Tea« (1968; dt. »Ein Tiger kommt zum Tee«, 1990), die später zum Bestseller wurde, inspirierte sie ein Zoobesuch mit ihrer dreijährigen Tochter: Ein Tiger steht vor der Tür der kleinen Sophie, er ist hungrig und hat bald alle Vorräte aufgefressen und sogar die Wasserleitung leer getrunken. Der britische Kinderbuchautor Michael Rosen vermutet, dass der Tiger auch mit den Bedrohungen in Judith Kerrs eigener Kindheit in Verbindung gebracht werden kann, da er überraschend in das Leben der Protagonistin eindringt und die Familie schonungslos ihres Eigentums beraubt. 1970 erschien der erste Band der Mog-Reihe, einer Serie von 17 Kinderbüchern über einen Kater und seine Abenteuer, die Judith Kerr selbst illustrierte. Für ein Kinderbuch ungewöhnlich ist der Tod der Hauptfigur im letzten Band (»Goodbye, Mog«, 2002). 2004 wurde die Figur Titelheld einer britischen Fernsehserie (»Mog the Forgetful Cat«). Die Flucht ihrer Familie aus Nazideutschland thematisierte Judith Kerr in ihrer Kinderbuchtrilogie »Out of the Hitler Time«. Motiviert wurde sie von dem Wunsch, eine Familiengeschichte über Flucht und Exil für Kinder begreifbar zu machen. Aus kindlicher Perspektive erzählt sie vom Erstarken der Nationalsozialisten in den 1930er Jahre in Deutschland, von der Flucht einer jüdischen Familie und ihrem Leben in der Emigration während des Zweiten Weltkriegs und danach. Der erste Teil der Trilogie »When Hitler Stole Pink Rabbit« (1971; dt. »Als Hitler das rosa Kaninchen stahl«, 1973) wurde 1974 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet und gehörte zum Kanon an deutschen Schulen. 1978 verfilmte der WDR den Stoff zum Teil an Originalschauplätzen. Ihr jüngstes Kinderbuch »Mister Cleghorn’s Seal« (2015; dt. »Ein Seehund für Herrn Albert«, 2016) ist Alfred Kerr gewidmet und bezieht sich auf einen ausgestopften Seehund, der in ihrer elterlichen Wohnung stand und der Legende nach als Baby von ihrem Vater in der Normandie gerettet wurde.
Für ihre Verdienste um die Kinderliteratur und das Gedenken des Holocausts wurde Judith Kerr mit dem Order of the British Empire und dem 2012 Birthday Honours geehrt. Ihre Bücher sind in über zwanzig Sprachen übersetzt. Sie lebt in Barnes, London.
Als Hitler das rosa Kaninchen stahl
Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH
Ravensburg, 1973
[Ü: Annemarie Böll]
Mog, der vergessliche Kater
Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH
Ravensburg, 1977
[Ü: Gerlinde Wiencirz]
Ein Tiger kommt zum Tee
Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH
Ravensburg, 1979
[Ü: Gerlinde Wincierz]
Ein Seehund für Herrn Albert
Sauerländer
Frankfurt a. M., 2016
[Ü: Sibylle Schmidt]