Édouard Glissant
Biografie
Bibliografie
Biografie
Édouard Glissant wurde im ländlichen Sainte-Marie auf Martinique geboren. In der Hauptstadt Fort-de-France besuchte er das Gymnasium und ging 1946 mit einem Stipendium der französischen Regierung nach Paris, wo er an der Sorbonne und am Musée de l’Homme Ethnologie, Geschichte und Philosophie studierte. Er war Mitarbeiter der Zeitschriften »Présence africaine« und »Les Lettres nouvelles« und veröffentlichte fünf Jahre nach seinem literarischen Debüt mit dem Gedichtband »Un champ d’îles« (Ü: Ein Inselfeld) seinen ersten Roman »La Lézarde« (1958; dt. »Sturzflut«, 1959), der mit dem renommierten Prix Renaudot ausgezeichnet wurde. 1959 gründete Glissant die »Front Antillo-Guyanais«, die sich für die Unabhängigkeit der französischen Antillen vom Mutterland einsetzte und zwei Jahre später von De Gaulle verboten wurde. Nach Verhaftungen und Hausarrest konnte er 1965 nach Martinique zurückkehren. Dort gründete er das Lehr- und Forschungszentrum »L’Institut martiniquais d’études« und die geisteswissenschaftlichen Vierteljahresblätter »Acoma«. 1981 arbeitete er – wiederum in Paris – als leitender Beamter der UNESCO und später als Chefredakteur des »Courrier de l’UNESCO«. Seit den späten achtziger Jahren war er als Literaturprofessor an der Lousiana State University und an der City University of New York tätig.
Glissant gilt als wichtigster zeitgenössischer Autor der lateinamerikanischen Literatur französischer Sprache und als intellektueller Vordenker auf dem Feld der postkolonialen Kulturtheorie. Sein Werk spürt einem Gegenentwurf zum geschlossenen eurozentristischen Denken nach, wobei ihm die Antillen und ihre Kultur der »Kreolisierung« als Vorbild dienen. Das prozesshafte und komplexe Zusammenleben der Inselbewohner – im Gegensatz zu den westlichen Modellen von statischem System und linearer Entwicklung – beschreibt Glissant in heterogener, genreübergreifender Manier mit »barocker« und »opaker« Sprache sowie in hybriden Ordnungsmustern. Sein »Traité du Tout-Monde« (1997; dt. »Traktat über die Welt«, 1999) ist alles andere als eine klassische Abhandlung, sondern vereint vielmehr Erzählung, Essay, Gedicht und ethnografische Darstellung. Die Sammlung von Vorträgen, Aufsätzen und Prosanotizen »Le discours antillais« (1981; dt. »Zersplitterte Welten«, 1986) übte als eine Ästhetik der Kulturenvielfalt großen Einfluss auf die Literaturen der Dritten Welt aus. In seinen intertextuell verknüpften Romanen führt Glissant anhand der Geschichte zweier schwarzer Familien die Bedingungen der »Kreolisierung« über Generationen hinweg vor.
Der Autor wurde mit zahlreichen literarischen Preisen ausgezeichnet. Er erhielt die Ehrendoktorwürden der Universitäten York (Toronto), West Indies (Trinidad) und Bologna (Italien) und ist Mitglied des Ordre des Francophones d’Amériques (Québec). Der Autor lebt in New York und auf Martinique.© internationales literaturfestival berlin
Bibliografie
Un champ d’îles
Editions du Seuil
Paris, 1965
Sturzflut
Kindler
München, 1979
[Ü: Paul Baudisch]
Zersplitterte Welten
Wunderhorn
Heidelberg, 1986
[Ü: Beate Thill]
Faulkner. Mississippi
Wunderhorn
Heidelberg, 1997
[Ü: Beate Thill]
Europa und die Antillen
In: Lettre International
Berlin, 1998
Traktat über die Welt
Wunderhorn
Heidelberg, 1999
[Ü: Beate Thill]
Archipelisches Sprechen
In: Lettre International 48
Berlin, 2000
Schwarzes Salz
Wunderhorn
Heidelberg, 2002
[Ü: Beate Thill]
Kultur und Identität
Wunderhorn
Heidelberg, 2005
[Ü: Beate Thill]
La Cohée du Lamentin
Gallimard
Paris, 2005
Une nouvelle région du monde
Gallimard
Paris, 2006
Memoires des Esclavages
Gallimard
2007
Les Entretiens de Baton Rouge
Gallimard
Paris, 2008