Dana Gioia
Im Jahr 2003 wurde der Schriftsteller und Kritiker Dana Gioia als erster Künstler zum Vorsitzenden des National Endowment for the Arts berufen, der größten Kunstförderstiftung der USA. Unter seiner Führung gelangte die angeschlagene Stiftung wieder zu größerer Bedeutung und ihr Budget wurde bedeutend erhöht. Zahlreiche anspruchsvolle kulturelle Initiativen wurden realisiert, die auf breite Bevölkerungsschichten in Städten und auf dem Land zielten, darunter das bekannte Programm »Shakespeare in American Communities«, bei dem Stücke von Shakespeare vor einem schulischen Publikum aufgeführt wurden, dem das Theaterspiel bislang fremd war. Das NEA-Progamm »Jazz Masters« ehrt hervorragende Jazzmusiker mit landesweiten Tourneen, Mediendokumentationen und Schulprogrammen, die Millionen amerikanischer Bürger erreichen. In anderen Projekten wird versucht, die Zahl der ins Englische übersetzten und in Amerika veröffentlichten Bücher zu erhöhen. Gioia ist darüber hinaus Vorsitzender der nationalen UNESCO-Kommission.
1950 als Sohn eines Italieners und einer Mexikanerin aus der Arbeiterklasse in Los Angeles geboren, besuchte Gioia als erster aus seiner Familie eine Hochschule. Er studierte zunächst Wirtschaftslehre an der Stanford University und erwarb anschließend einen Magistertitel in Vergleichenden Literaturwissenschaften in Harvard. Danach folgte er dem unorthodoxen Vorbild der amerikanischen Dichter Wallace Stevens und T.S. Eliot und wählte nicht die universitäre Laufbahn, sondern ging in die Wirtschaft.
1977 zog Gioia nach New York, wo er Vizepräsident eines großen Lebensmittelherstellers wurde. In seiner Freizeit schrieb er Gedichte, Rezensionen und Essays. Seine erste Gedichtsammlung »Daily Horoscope« (1986; Ü: Tageshoroskop) bestätigte Gioias Ruf als zentraler Figur des »New Formalism«, einer Bewegung, die Rhythmus und Metrum in der amerikanischen Lyrik wiederaufleben ließ. Zur öffentlichen Figur wurde Gioia mit seinem Essay »Can Poetry Matter?« (Ü: Kann Lyrik von Belang sein?), der 1991 im »Atlantic Monthly« abgedruckt wurde und landesweit eine Debatte entfachte, die über Jahre anhielt. Gioia vertritt darin die These, dass die zeitgenössische amerikanische Lyrik zuwenig auf den normalen Leser eingeht und sich in eitler Selbstbespiegelung hinter die akademischen Mauern zurückgezogen hat.
Für seinen dritten Gedichtband »Interrogations at Noon« (2001; Ü: Befragungen am Mittag) erhielt Gioia den American Book Award. Das Buch versammelt eine synkretistische Mischung von Stilen und Formen. Nachdichtungen von Seneca, Rilke und Valerio Magrelli stehen neben freien Versen, Liedern und Elegien. Im Band enthalten sind auch drei Lieder des Autors aus »Nosferatu« (2001), einem Opernlibretto nach dem Stummfilm von F.W. Murnau.
1992 schied Gioia aus seinem beruflichen Leben in der Wirtschaft aus und widmete sich nunmehr ausschließlich der Literatur. Er verfasste zahlreiche Anthologien und war mit X.J. Kennedy der Herausgeber von »An Introduction to Poetry« (1994; Ü: Einführung in die Dichtkunst), einer Textsammlung für den Schulgebrauch, die sich zum Bestseller entwickelte und mittlerweile in der elften Auflage vorliegt. Zudem war Gioia Mitbegründer zweier bedeutender Literaturkonferenzen, darunter die West Chester University Summer Conference on Form and Narrative, die inzwischen in ihrem elften Jahr besteht und zur größten jährlichen Lyrikkonferenz der USA avanciert ist.
Gioia lebt in Washington D.C., hat aber weiterhin einen Zweitwohnsitz im Wine Country von Nordkalifornien.
© internationales literaturfestival berlin
The Gods of Winter
Peterloo Poets
Cornwall, 1991
Can Poetry Matter?
Greywolf Press
Saint Paul, 1992
Interrogations at Noon
Greywolf Press
Saint Paul, 2001
Nosferatu
Greywolf Press
Saint Paul, 2001
Daily Horoscope
Greywolf Press
Saint Paul, 2002
Californian Poetry
Heyday Books
Berkeley, 2003
Disappearing Ink
Greywolf Press
Saint Paul, 2004
Barrier of a Common Language
The University of Michigan Press
Ann Arbor, 2005
Übersetzer: Jürgen Brộcan