Bjarni Bjarnason
Bjarni Bjarnason wurde 1965 in Reykjavík geboren, wuchs aber außerhalb Islands auf. Bereits als Jugendlicher veröffentlichte er Gedichte in isländischen Magazinen und Zeitungen. Im Alter von zwanzig schrieb er sein erstes Theaterstück. Wenig später erschien sein Lyrikband »Upphafið« (1989; Ü: Der Anfang). Auch Kurzgeschichten, Einakter, Essays, ein Traumtagebuch und zehn Romane zählen zu Bjarnasons Werken.
Sein zweiter Roman »Endurkoma Maríu« (1996; dt. »Die Rückkehr der Jungfrau Maria«, 2012) wurde 1996 für den Isländischen Literaturpreis nominiert. Er handelt von einem Theologieprofessor, dessen Enkel eine mysteriöse junge Frau kennenlernt. Um sie herum geschehen seltsame Dinge, und sie wird von Visionen heimgesucht. Die Ähnlichkeit mit der Jungfrau Maria ist verblüffend, weshalb der Professor deren Wiederkehr prophezeit. Er wird daraufhin der Universität verwiesen. Der Autor selbst erklärt, dass er nicht von Anfang an die Absicht hatte, ein Buch über die Jungfrau Maria zu verfassen. Er begann über diese Frau zu schreiben, bis ihm plötzlich auffiel, dass sie Maria ähnelt. Erst dann kam die Bibel ins Spiel. Letztlich entstand ein eindrucksvolles Buch, das teils Romanze, teils Thriller und teils theologische Spekulation ist. Der Roman steht in der isländischen Erzähltradition, die sich nach Bjarnasons Auffassung aber erst dann offenbare, wenn die Geschichte nicht wie alle isländische Literatur ständig mit der Vorstellung von Island als einem besonders mystischen und exotischen Land in Verbindung gebracht werde. Dieses Bild von Island sei selbst ein Mythos. Für den Roman »Borgin bak við orðin« (1998; Ü: Die Stadt hinter den Worten) erhielt Bjarni Bjarnason den Tómas Guðmundsson Award. »Mannætukonan og maður hennar« (2001; Ü: Die Kannibalin und ihr Ehemann) wurde mit dem Halldór Laxness Literature Award ausgezeichnet. In »Mannorð« (2011; Ü: Das Ansehen) thematisiert Bjarnason die isländische Finanzkrise: Der Protagonist Starkaður Leví spielte eine entscheidende Rolle im Zusammenhang mit dem Bankenkollaps. Einige Jahre danach will er sich nun einen besseren Ruf aufbauen, um wieder in die Gesellschaft aufgenommen zu werden – koste es, was es wolle. Bjarnasons jüngster Roman »Hálfsnert stúlka« (2014; Ü: Halbberührtes Mädchen) behandelt mit psychoanalytischer Rhetorik die Themen Tod und Verlust sowie die Möglichkeiten, den Gespenstern des Bewussten und des Unbewussten zu begegnen. »Zeit ist ein wichtiges Element aller seiner Romane; ihre Bildsprache ist beeinflusst von alten Mythen und durchdrungen von einer Märchenatmosphäre, wobei sie gleichzeitig auf moderne Phänomene verweisen«, heißt es in einer isländischen Literaturgeschichte.
Bjarni Bjarnasons Werke wurden in vier Sprachen übersetzt: Färöisch, Arabisch, Englisch und Deutsch. Er ist Mitbegründer des seit 1994 erscheinenden Literaturmagazins »Andblær«, in dem vor allem Nachwuchsautoren erscheinen, und lebt mit der früheren Finanzministerin Katrín Júlíusdóttir und vier Söhnen in Reykjavík.
Vaka-Helgafell
Reykjavík, 1998
Mannætukonan og maður hennar
Vaka-Helgafell
Reykjavík, 2001
Mannorð
Uppheimar
Reykjavík, 2011
Die Rückkehr der Jungfrau Maria
Klett-Cotta
Stuttgart, 2012
[Ü: Tina Flecken]
Hálfsnert stúlka
Veröld
Reykjavík, 2014