Arundhati Roy
- Indien
- Zu Gast beim ilb: 2009, 2017
Arundhati Roy, geboren 1959 in Shillong in Nordindien und aufgewachsen in Kerala in Südindien, zog im Alter von 16 Jahren nach Delhi, wo sie Architektur studierte und als Schauspielerin und Drehbuchautorin beim Film arbeitete.
International bekannt wurde sie durch ihr in vierzig Sprachen übersetztes Romandebüt »The God of Small Things« (1997; dt. »Der Gott der kleinen Dinge«, 1997), das weltweit zu einem Bestseller avancierte und mit dem renommierten Man Booker Prize for Fiction ausgezeichnet wurde. In lyrischer und bildhafter Sprache, geprägt von eindringlicher Rhythmik, und auf mehreren Zeitebenen schildert der semibiografische Roman das Schicksal einer indischen Familie in Ayemenem, dem Heimatort der Autorin. Im Mittelpunkt stehen die Zwillinge Rahel und Estha, deren Mutter durch ihre Liebe zu einem »Unberührbaren« gegen das rigide Kastensystem verstößt.
Roy nutzte ihre Bekanntheit in den folgenden Jahren für ihr politisches Engagement. So protestierte sie gegen die atomare Aufrüstung Indiens, gegen das Staudammprojekt am Narmada-Fluss mit seinen verheerenden humanitären und ökologischen Folgen, gegen die Privatisierung der Energieversorgung, den Hindu-Nationalismus u. a. Auf internationaler Ebene spricht sich die Globalisierungskritikerin vehement gegen die westliche Militär- und Wirtschaftspolitik und gegen die Manipulierung der Medien aus. Scharf kritisierte sie sowohl den Irakkrieg als auch den von der Bush-Regierung geführten sogenannten Krieg gegen den Terrorismus. Nach 9/11 erklärte sie in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, die verbrecherische Außenpolitik der USA sei entscheidend mitverantwortlich für die Terroranschläge. Roys politisches Engagement äußert sich auch in Veröffentlichungen wie »The Algebra of Infinite Justice« (2002; Ü: Die Algebra grenzenloser Gerechtigkeit), »An Ordinary Person’s Guide to Empire« (2004; Ü: Das Empire – Leitfaden für gewöhnliche Leute), dem Interviewband »The Shape of the Beast« (2008; Ü: Die Gestalt der Bestie), dem Essayband »Listening to Grasshoppers: Field Notes on Democracy« (2009; dt. »Aus der Werkstatt der Demokratie«, 2010) mit zwischen 2004 und 2008 entstandenen Texten und in »Capitalism: A Ghost Story« (2014; Ü: Kapitalismus. Eine Gespenstergeschichte), in dem sie die Schattenseiten der Demokratie im heutigen Indien untersucht und zeigt, wie der globalisierte Kapitalismus Milliarden von Menschen einem ausbeuterischen und rassistischen System unterwirft. Zwei Jahrzehnte nach ihrem literarischen Debüt erscheint 2017 schließlich ihr Roman »The Ministry of Utmost Happiness« (dt. »Das Ministerium des höchsten Glücks«, 2017), an dem sie über zehn Jahre gearbeitet hat und der auf dem indischen Subkontinent angesiedelt ist, sich über eine Dekade erstreckt und von Menschen handelt, die an der Welt zerbrechen und deren Wunden nur durch die Liebe heilbar sind.
Für ihr soziales und politisches Engagement wurde Arundhati Roy 2004 mit dem Sydney Peace Prize ausgezeichnet. Sie lebt in Neu-Delhi.
Der Gott der kleinen Dinge
Blessing
München, 1997
[Ü: Anne Grube]
Die Politik der Macht
btb
München, 2002
[Ü: Helmut Dierlamm u. a.]
Aus der Werkstatt der Demokratie
S. Fischer
Frankfurt a. M., 2010
[Ü: Anette Grube]
Capitalism: A Ghost Story
Haymarket Books
Chicago, 2014
The Ministry of Utmost Happiness
Knopf
New York, 2017