Apti Bisultanov
- Chechnya
- Zu Gast beim ilb: 2002, 2004, 2005
Apti Bisultanov wurde 1959 in Goitschu geboren, einem Ort bei Urus Martan, Tschetschenien. Er wuchs wie fast alle Tschetschenen mit der offiziell verbotenen Volkssprache und dem Russischen auf. Sein Vater, der verwundet aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt war, starb früh. Bisultanov gehört nicht mehr der Generation von Autoren an, die während der Deportation der Tschetschenen (1944 bis 1956) in Kasachstan oder Sibirien geboren wurden und vorrangig in russischer Sprache schreiben, seine Werksprache ist das Tschetschenische. Schon früh hatte Bisultanov zu schreiben begonnen, mit 17 Jahren erlebte er die ersten Veröffentlichungen.
Von 1977 bis 1982 studierte er an der Philologischen Fakultät der »Tschetschenisch-Inguschischen Staatsuniversität« in Grosny und war danach als Lehrer tätig. Seit dieser Zeit publiziert er regelmäßig in verschiedenen Literaturzeitschriften. 1986 erschien sein erster Gedichtband »Noch – ze – tschö« (Ü: Pflug – Feuer – Haus). Der Titel assoziiert das Wort »Nochtschitschö«, das soviel wie »Land der Tschetschenen« bedeutet. 1988 folgte der Band »Zcha Illi« (Das Lied). Im gleichen Jahr wurde Bisultanov Redakteur des »Tschetschenischen Bücherverlags« in Grosny. 1991 erschien sein dritter Lyrikband »Tkesan Indare« (Ü: Schatten eines Blitzes), der eine Serie von Gedichten enthält, die den Opfern der Deportation unter Stalin gewidmet sind. Jene Klagegedichte, die Bisultanov mit »Die in Chaibach geschriebenen Gedichte« überschriftet, erzählen auch die Geschichte der 800 Einwohner des Bergdorfes Chaibach, die bei der Deportation wegen hohen Schnees nicht abtransportiert werden konnten, in einen Pferdestall getrieben und verbrannt wurden. Der Dichter erhielt 1992 für dieses Poem den »Tschetschenischen Volkspreis für Literatur«.
Apti Bisultanovs dichterische Sprache verbindet philosophische und symbolische Begriffe zu kunstvollen Metaphern. In ihr spielt die Aufnahme und Bewahrung des alten tschetschenischen Sprachgebrauchs eine große Rolle. Die Werke bewegen sich thematisch zwischen der Sehnsucht nach den verlorenen kulturellen Wurzeln seiner Heimat, einer subtilen Religiosität – Bisultanov gehört dem Sufiorden der Qaddirye an – und der Anprangerung des Unrechts, dem sein Volk im 20. Jahrhundert ausgesetzt war.
Von Anbeginn setzte sich der Dichter für die Unabhängigkeitsbewegung ein. Während der beiden Tschetschenienkriege, denen mehr als Hunderttausend Menschen zum Opfer gefallen sind, nahm Bisultanov der tschetschenischen Tradition entsprechend nicht an den Kämpfen teil. Er hat als Dichter die Rolle des »Illondscha« (Sänger, Erzähler) einzunehmen und in seinen Liedern und Gedichten das Geschehene zu bezeugen. In seinem Land wird Bisultanov vom Volk als »Sohn der Väter Tschetscheniens« gefeiert, als einer der erfolgreichsten Literaten seiner Generation. Viele seiner Gedichte wurden vertont und u.a. ins Russische, Türkische und Finnische übersetzt. Apti Bisultanov ist Mitglied des internationalen P.E.N.-Clubs und Ehrenmitglied des russisch-finnischen P.E.N. Er lebt seit 2002 in Berlin. 2003 erhielt er den Preis der Poets of All Nations Foundation. Sein zweisprachiger Gedichtband »Schatten eines Blitzes« erschien 2004.
© internationales literaturfestival berlin
Schatten eines Blitzes
Kitab-Verlag
Klagenfurt, Wien, 2004
Übersetzung: Ekkehard Maaß