Antonella Lattanzi
- Italien
- Zu Gast beim ilb: 2018
Antonella Lattanzi wurde 1979 in Bari geboren und studierte Literatur in Rom. In ihren ersten Erzählungen widmete sie sich den Traditionen ihrer Herkunftsregion Apulien, deren Legenden und Volksmärchen, seinen Geheimnissen und Kuriositäten. Ihr Romandebüt »Devozione« (2010; Ü: Hingabe) handelt von einem heroinabhängigen jungen Paar. Sie führen das Leben von Getriebenen und kidnappen letztlich ein kleines Mädchen aus vermeintlich reichem Hause, weil sie glauben, mit dem Lösegeld alle finanziellen Probleme lösen zu können. Mit ihrem zweiten Roman »Prima che tu mi tradisca« (2013; Ü: Bevor du mich verrätst), dessen Handlung ihren Ausgang von einem verheerenden, aus dem Gedächtnis gestrichenen Bombenangriff auf den Hafen von Bari im Winter 1943 nimmt, wurde Lattanzi Finalistin des Premio Stresa. Ihr jüngster Roman »Una storia nera« (2017; dt. »Noch war es Nacht«, 2018) zeigt vor der Kulisse eines düster gezeichneten Roms ein Familiendrama: Die Beziehung von Carla und Vito ist trotz einer obsessiven Liebe von Gewalt geprägt. Carla muss Vitos Schläge aus nichtigem Anlass ertragen, wird von seiner unaufhörlichen Eifersucht geplagt. Als ihre beiden ältesten Kinder, Nicola und Rosa, groß genug sind, hat Carla endlich den Mut zur Trennung und zieht mit der jüngsten Tochter Mara aus. Es ist Maras dritter Geburtstag. Immer noch wird Carla von Vito verfolgt und bedroht. Doch da es der Wunsch der Tochter, des Geburtstagskinds, ist, lädt sie auch Vito zur Feier ein. Die beiden älteren Kinder sind ebenfalls anwesend, somit ist die Familie nach längerer Zeit wieder zusammen. Zunächst verläuft das Fest harmonisch. Am Abend jedoch verschwindet Vito spurlos. Auch wenn der Titel es vermuten lässt und bestimmte Elemente – die vermisste Person, eine aufgefundene Leiche, ein Mordprozess – es nahelegen, handelt es sich bei »Una storia nera« nicht um einen Roman noir oder ein Thriller im klassischen Sinn. Lattanzi fokussiert vor allem auf die zerstörte Beziehung von Carla und Vito. Nach und nach wird das Doppelleben von Vito enthüllt, und es sind vor allem die Undurchsichtigkeit der Figuren und die wechselnden Perspektiven auf das Geschehen, die dem Roman eine eigenwillige Spannung verleihen.
Antonella Lattanzi schreibt außerdem für Printmedien wie »Tuttolibri de La Stampa« und »Il Venerdì de La Repubblica« und Drehbücher, zum einen fürs Fernsehen, u. a. für die Sendung »Le invasioni barbariche«, zum anderen für Spielfilme, u. a. »Fiore« (2016) zusammen mit Claudio Giovannesi und Filippo Gravino. Auch für die geplante Verfilmung ihres jüngsten Romans »Noch war es Nacht« wird sie das Drehbuch schreiben. Lattanzi unterrichtet seit 2010 an der Scuola Holden, der von Alessandro Baricco und Carlo Feltrinelli gegründeten Schule für Creative Writing. Sie lebt in Rom.
Devozione
Einaudi
Turin, 2010
Prima che tu mi tradisca
Einaudi
Turin, 2013
A Casa Nostra
Junge italienische Literatur
[Anthologie]
Wagenbach
Berlin, 2011
Noch war es Nacht
Rowohlt
Reinbek, 2018
[Ü: Margit Knapp]