Ales Rasanau
- Belarus
- Zu Gast beim ilb: 2001, 2007
Ales Rasanau wurde 1947 in Sjalez geboren, einem weißrussischen Dorf in der weiteren Umgebung von Brest. Bereits im Alter von 14 Jahren trat er mit ersten Gedichten hervor. Er studierte Philologie in Minsk, bis er 1968 wegen seines Protestes gegen die Russifizierungspolitik von der dortigen Universität relegiert wurde. Dank der Fürsprache namhafter weißrussischer Schriftsteller konnte er sein Studium in Brest abschließen. Danach war er in unterschiedlichen Berufen tätig. Er arbeitete in der Gießerei einer Fabrik, als Realschullehrer, als Verlagslektor und leitete Literaturredaktionen verschiedener Zeitschriften.
Seit 1970 veröffentlichte Rasanau mehr als zehn Gedichtbände, die in über zwanzig Sprachen übersetzt wurden. Auch als Übersetzer litauischer, bulgarischer und vor allem georgischer Lyrik machte er sich einen Namen. Sein Debütband enthielt programmatische Texte über die »Wiedergeburt« (so die wörtliche Übersetzung des Titels »Adradzennie«) der weißrussischen Poesie. Da diese Sprache in sowjetrussischer Zeit unterdrückt wurde, konnten die Texte nur in stark zensierter Form erscheinen. Doch es ging dem Dichter nicht allein um eine Anknüpfung an Traditionen, sondern ebenso sehr um die Erschaffung neuer Formen. »Ein Gedicht muss stets eine Botschaft und eine Neuigkeit sein, muss herausführen aus der gesicherten Sphäre«, heißt es in einer seiner zahlreichen poetologischen Betrachtungen, die unter dem Namen »Gnomische Zeichen« zusammengefasst sind. Zu Rasanaus lyrischen Neuschöpfungen gehören etwa »Punktierungen« – drei- bis achtzeilige Gedichte ohne Überschrift – oder »Versetten«: balladenhafte, oft dramatisch zugespitzte Prosagedichte von durchschnittlich einer Seite Länge. Von diesen und den episch-eigenwilligen »Poemen« gibt der Band »Zeichen vertikaler Zeit« (1995) einen faszinierenden Eindruck. Allein die »Wortverse« Rasanaus, in welchen er »das gesamte lautliche (und etymologische) Umfeld bestimmter Worte, in denen er Schlüsselworte der menschlichen Existenz sieht« untersucht, entziehen sich einer Übersetzung, so Herausgeber Norbert Randow.
Rasanau wurde 1990 mit dem Staatspreis für weißrussische Literatur, dem Janka-Kupala-Preis, ausgezeichnet. Doch sein Einsatz für die weißrussische Sprache wurde nur kurze Zeit auch von offizieller Seite gewürdigt. Wenig später machte ihn die pro-russische Politik des Diktators Lukaschenko erneut zum Regimegegner. Seine Werke wurden zensiert oder gar nicht erst publiziert. Bis 1999 war er stellvertretender Chefredakteur der Literaturzeitschrift »Krynica« (Quelle), die er auf politischen Druck verließ, um Einladungen ins Ausland zu folgen, u.a. nach Deutschland, Österreich, Finnland, Schweden und Slowenien. 2001 lebte er in Hannover, das seit 2000 dem Städte-Netzwerk für bedrohte und zensierte Schriftsteller (»Cities of Asylum«) angehört, und war der erste Empfänger des in diesem Zusammenhang eingerichteten Hannah-Arendt-Jahresstipendiums. 2003 lebte er im Rahmen des Kultur- und Menschenrechtsstipendiums »Stadt der Zuflucht« in Graz. Aus diesen Aufenthalten entstanden Publikationen wie »Hannoversche Punktierungen« (2002) oder »Wortdichte« (2003). 2003 wurde Rasanau der Herder-Preis verliehen. Er ist derzeit Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.
© internationales literaturfestival berlin
Adradzennie
Vydav. Belarus
Minsk, 1970
Zeichen vertikaler Zeit
Agora
Berlin, 1995
[Ü: Elke Erb]
Tanec z vužakami
Mastackaja Litaratura
Minsk, 1999
Hannoversche Punktierungen
Revonnah
Hannover, 2002
[Ü: Halina Skakun, Nande Röhlmann]
Tanz mit den Schlangen
Agora
Berlin, 2002
[Ü: Elke Erb, Wadimir Tschapeha]
Wortdichte
Steirische Verlagsgesellschaft
Graz, 2003
Der Zweig zeigt dem Baum wohin er wachsen soll
Agora
Berlin, 2006
Übersetzer: Elke Erb, Nande Röhlmann, Halina Skakun, Wladimir Tschapeha