Alberto Barrera Tyszka
- Venezuela
- Zu Gast beim ilb: 2017
Der venezolanische Schriftsteller und Drehbuchautor Alberto Barrera Tyszka wurde 1960 in Caracas geboren. Er studierte Literatur an der Universidad Central de Venezuela.
Barrera Tyszkas literarisches Werk umfasst Romane, Kurzgeschichten und Lyrik. Sein Romandebüt legte er 2001 mit »También el corazón es un descuido« (Ü: Auch ist das Herz ein Versehen) vor. 2006 folgte »La enfermedad« (Ü: Die Krankheit), ein Kurzroman über einen Arzt, der seinem Vater den bevorstehenden Tod ankündigen muss. Unterdessen wird der Arzt von einem Hypochonder verfolgt, der von der Idee besessen ist, nur er könne ihn heilen. Die Sekretärin des Arztes beginnt dem hypochondrischen Patienten auf dessen E-Mails zu antworten – unter seinem Namen. Barrera Tyszka verbindet diese beiden Handlungsstränge in einer Geschichte über Krankheit, Selbstflexion und Sterblichkeit. Für den Arzt und seinen Vater ist die Krankheit greifbar als Krebs-Diagnose, für den hypochondrischen Patienten ist sie eine Illusion, die sich nicht physisch, sondern psychisch manifestiert. Durchdrungen ist der gesamte Roman von einer philosophischen Frage, die der Arzt seinen Mitarbeitern gewohnheitsmäßig vor jeder Operation stellt: »Warum finden wir es so schwer, das Leben als Zufall anzuerkennen?« Barrera Tyszka führt zudem verschiedene Zitate über Krankheit an, die vielfältige Sichtweisen auf den Tod eröffnen, ohne religiöse Modelle eines Weiterlebens einzubeziehen. Vielmehr wird der Suche nach den Gründen für Leid und Verfall sowie der Hoffnung auf ein Jenseits eine Absage erteilt. 2005 publizierte Barrera Tyszka zusammen mit Christina Marcano die erste dokumentierte Biografie über den venezolanischen Präsidenten: »Hugo Chàvez sin uniforme. Una historia personal« (Ü: Hugo Chàvez ohne Uniform. Eine persönliche Geschichte). Zehn Jahre später folgte sein Roman über den ehemaligen Staatspräsidenten Venezuelas »Patria o muerte« (2015; dt. »Die letzten Tage des Comandante«, 2017). Hier geht Barrera Tyszka vor allem der Frage nach, warum der im Westen kritisierte Chávez im eigenen Land trotz zunehmender Gewalt und Perspektivlosigkeit bis zu seinem Ende hohes Ansehen genoss. Dazu porträtiert er exemplarisch Menschen aus unterschiedlichen Schichten. Sie alle scheinen wie Marionetten eines unantastbaren Systems. »Dieser grandiose Roman, der in keiner Zeile didaktisch ist, taugt gerade deshalb zum Lehrstück: Die innere Leere, die der Aktivismus der Autoritären hinterlässt, kann nur mit neuen Lebenslügen, neuer Niedertracht gefüllt werden« (Marko Martin, »Literarische WELT«).
Für »La enfermedad« erhielt Barrera Tyszka 2006 den Herralde-Romanpreis, für »Patria o muerte« den Premio Tusquets de Novela 2015. Er schreibt auch Drehbücher für Telenovelas für den südamerikanischen Markt und Beiträge für die Literaturzeitschrift »Letras Libres« und das Portal www.prodavinci.com. Alberto Barrera Tyszka lebt in Mexiko-Stadt.
Plaza & Janés
Mexiko, 2001
Hugo Chávez sin uniforme
Una historia personal
Mit Christina Marcano
Debate
Madrid, 2005
La enfermedad
Anagrama
Barcelona, 2006
Rating
Anagrama
Barcelona, 2011
Die letzten Tage des Comandante
Nagel & Kimche
München, 2017
[Ü: Matthias Strobel]