Adonis
- Frankreich, Syrien
- Zu Gast beim ilb: 2016
Nach einem Studium an der Universität Damaskus musste er 1955 wegen seiner Mitgliedschaft in der Syrischen Sozial-Nationalistischen Partei ein halbes Jahr ins Gefängnis. Mit seiner Frau wählte er daraufhin Libanon als Exil, wo er zusammen mit Yusuf al-Khal sowie anderen renommierten Autoren 1957 die avantgardistische Literaturzeitschrift »Schi’r« (Ü: Poesie) herausgab. Ab 1973 lehrte er trotz des beginnenden Bürgerkriegs an libanesischen Hochschulen, bevor er 1985 nach Paris zog, wo er heute noch lebt.
Literarisch trat Ali Ahmad Said Esber als Dichter unter dem Künstlernamen Adonis in Erscheinung, nachdem ein von ihm bei einer Zeitschrift mit seinem richtigen Namen eingereichtes Gedicht abgelehnt, unter dem Pseudonym erneut zugeschickt, aber abgedruckt worden war. 1998 erschien mit »Die Gesänge Mihâyrs des Damaszeners« eine Sammlung von Lyrik aus den Jahren 1958 bis 1965 auch auf Deutsch, 2004 gefolgt von dem Band »Ein Grab für New York« mit Gedichte aus den Jahren 1965 bis 1971. Eine Kritik in der »Frankfurter Rundschau« bemerkte zu letztgenanntem Werk, es zeige Adonis’ ambivalente Position zwischen einer Tradition, die an die Selbst- und Weltschöpfung durch Poesie glaube, sowie dem westlichen Rationalismus; von dieser aus entwerfe er eine »eigenständige arabische Moderne ohne Mimikry an den Westen«, so die »Süddeutsche Zeitung«. Adonis’ freie Verse brechen entsprechend mit der Form der hocharabischen Poesie, bewahren aber deren Metaphorik. Neben Gedichten setzt sich der Schriftsteller auch in Essays mit arabischer Poetik auseinander. So verweist er in dem Buch »Wortgesang« (2012) auf fortschrittliche Dichter wie Bascha Ibn Burd (gestorben 784) oder Abu Tammam (gestorben 845), für die der Koran nicht nur ein religiöses Buch darstellte, sondern mit seiner kraftvollen poetischen Sprache auch eine literarische Herausforderung, den vermeintlich feststehenden Wahrheiten eine Offenheit entgegenzusetzen, die Adonis für die heutige arabische Welt ebenfalls als richtungsweisend ansieht (»Neue Zürcher Zeitung«). In seinem dreiteiligen Epos »Al-Kitab« (2007–2015; Ü: Das Buch) unternahm der Dichter dann eine literarische Reise durch das 9. Jahrhundert, das er als wichtigste Epoche in der arabischen Geschichte erachtet, geleitet von dem Poeten Al-Mutanabbi, der zu dieser Zeit auch politisch engagiert war. Liebeslyrik von Adonis erschien 2014 unter dem Titel »Der Wald der Liebe in uns«, aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt, da die arabischen Originale verschollen sind. In diesem Spätwerk beschäftigt er sich statt mit politisch-religiöser Revolte mit dem Körper, den er mit mystischer Symbolik auflädt.
Für sein Schaffen wurde Adonis mehrfach ausgezeichnet, darunter 2001 mit der Goethe-Medaille, 2013 mit dem Petrarca-Preis sowie 2016 mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück.
Die Gesänge Mihâyrs des Damaszeners
Gedichte 1958–1965
Ammann
Zürich, 1998
[Ü/Hg: Stefan Weidner]
Ein Grab für New York
Gedichte 1965–1971
Ammann
Zürich, 2004
[Ü/Hg: Stefan Weidner]
Wortgesang
Von der Dichtung zur Revolution
[Hg: Stefan Weidner]
S. Fischer
Frankfurt a. M., 2012
[Ü: Rafael Sanchez]
Der Wald der Liebe in uns
Jung und Jung
Salzburg, 2013
[Ü: Ingeborg Waldinger]
Jérusalem
Mercure de France
Paris, 2016
[Ü: Aymen Hacen]