23. ilb 06. – 16.09.2023
Portrait Bachtyar Ali
© Hartwig Klappert

Bachtyar Ali

Bachtyar Ali wurde 1966 in Sulaimaniya in der Autonomen Region Kurdistan im Irak geboren. Er gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen Lyrikern und Schriftstellern seines Landes. 1983 brach er sein Studium der Geologie an der Universität in seiner Heimatstadt und an der Salah al-Din Universität in Arbil ab, nachdem er bei Studentenprotesten gegen die Baath-Partei von Saddam Hussein verletzt worden war. Fortan schrieb er Gedichte, sein erster Lyrikband »Gunah w Karnaval« (Ü: Sünde und Karneval) erschien 1992. Nach dem erfolgreichen Aufstand der Kurden 1991 und der Einrichtung einer Flugverbotszone im Nordirak durch die USA, Großbritannien und die Türkei erlangte die Region eine relative Unabhängigkeit. Durch sie boten sich den Intellektuellen in den kurdischen Gebieten neue Artikulationsmöglichkeiten. Neben seiner intensiven schriftstellerischen Tätigkeit engagierte sich Ali für die philosophische Zeitschrift »Azadi« (Ü: Freiheit).

Die Handlung seines 2002 erschienenen, bildmächtigen Romans »Duwahamin Henari Dunya« (dt. »Der letzte Granatapfel«, 2016) umspannt rund zwei Jahrzehnte kurdisch-irakischer Geschichte und ist darüber hinaus eine zeitlose Parabel für die Suche nach einem in den Wirren von Krieg und Diktatur verlorenen Sohn. 2008 erschien Alis Roman »Ghezelnus u Baxekani Xeyal« (Ü: Ghezelnus und die Gärten der Fantasie; En. »I Stared at the Night of the City«, 2016), der die Welt eines fiktiven irakischen Kurdistans an der Schwelle zum 21. Jahrhundert beschreibt. Trotz der absoluten Macht der Barone begibt sich eine vom Dichter Ghezelnus angeführte Bande von Freunden auf eine Odyssee mit dem Ziel, die Leichen zweier Liebender zu finden, die von den Behörden getötet wurden. Tatsächlich wird der Krieg, den die Barone beginnen, nicht gegen die Bande, sondern gegen die Fantasie selbst geführt – ein schwer fassbares, unschätzbares Gut für alle Schichten. Alle Kapitel dieses vielschichtigen Romans werden aus der Perspektive einer anderen Figur erzählt, sind untereinander jedoch thematisch und chronologisch verbunden. Zudem ist das Werk von fantastischen Elementen durchwirkt: So entdeckt der Dichter ein Land, das sich nachts in einen endlosen Garten verwandelt; eine Gruppe von Bewohnerinnen eines Frauenhauses wirkt den weltgrößten Teppich; ein Liebhaber von Hollywoodfilmen geht mit blinden Kindern auf eine imaginäre Seereise. Alis Roman »Shari Mosiqare Spiyekan« (2006; dt. »Die Stadt der weißen Musiker«, 2017) behandelt die Vernichtungskampagne gegen Kurden und Schiiten im Irak während Saddam Husseins Herrschaft und danach.

2009 wurde Ali mit dem HARDI-Literaturpreis des größten Kulturfestivals im kurdischen Teil des Iraks ausgezeichnet, 2014 erhielt er den Sherko-Bekas-Literaturpreis. Seit Mitte der 1990er Jahre lebt der Autor in Deutschland, derzeit in Köln.

Bibliographie

Der letzte Granatapfel
Unionsverlag
Zürich, 2016
[Ü.: Ute Cantera-Lang u. Rawezh Salim]
I Stared at the Night of the City
Periscope
Penzance, Cornwall, 2016
[Ü.: Kareem Abdulrahman]
Die Stadt der weißen Musiker
Unionsverlag
Zürich, 2017
[Ü.: Peschawa Fatah u. Hans-Ulrich Müller-Schwefe]